Kevin

loewenherz
19.02.2016 - 12:12 Uhr
13
Sehr hilfreiche Rezension
4
Flakon
6
Sillage
7
Haltbarkeit
2
Duft

'Kevin ist kein Name, sondern eine Diagnose'

fasste eine Pädagogin vor ein paar Jahren kurz und knapp zusammen, was eigentlich schon vorher alle ahnten. Wenige Namen sind dergestalt negativ besetzt im bildungsbürgerlichen Deutschland wie Kevin, und jene Lehrerin, deren Zitat sich damals binnen kurzem den Weg durch Printmedien und soziale Netzwerke bahnte, räumte auch unumwunden ein, dass Pauline, Maximilian und Friedrich gegenüber Cindy, Justin oder eben Kevin von frühester Kindheit an im Vorteil sind - und mutmaßlich ein Leben lang bleiben werden.

Andere Länder, andere Sitten. Vor kurzem war ich ein paar Tage in Buenos Aires, und was dort mir schon auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt von haushohen Plakatwänden und später in der U-Bahn und an Bushaltestellen entgegen strahlte (in einer Dichte und Präsenz, zu der es hierzulande nicht einmal Diors Sauvage nach seinem Launch gebracht hat), war die Werbung für ein - mir völlig unbekanntes - Eau de Toilette mit Namen Kevin. Ich habe ein solches Plakat in der Subte, wie dort die U-Bahn heißt, fotografiert und hochgeladen - sieht relativ normal aus, oder? Bei Farmacity, dem argentinischen Pendant zu Rossmann oder dm, habe ich Kevin (und seine Brüder Kevin Absolute, Kevin Spirit und Kevin Black, wahrscheinlich gibt es noch viel mehr) später entdeckt - 100 ml für umgerechnet deutlich unter zehn Euro, selbst für ein Drogerieparfum beachtlich günstig.

Von den oben angegebenen Duftingredienzen ist keine einzige wahrnehmbar - nicht einmal andeutungsweise. Stattdessen ist Kevin die Essenz eines unfassbar artifiziellen Duschgelduftes - metallisch-süß-ozonisch mit einer impertinenten Seifigkeit, die nichts gemein hat mit jener Seifigkeit, von der wir bei altmodischen französischen oder auch britischen Herrendüften manchmal sprechen. Da es in argentinischen Drogeriemärkten keine Teststreifen oder -papierchen gibt, habe ich ihn auf der Haut testen und danach - bei gut fünfunddreißig Grad Außentemperatur - einen ganzen Nachmittag gegen die Vision ankämpfen müssen, dass sich die Haut an dieser Stelle unumkehrbar grün einfärben würde. Ergänzend sei gesagt, dass Kevins Brüder (auch wenn ich die nicht auf der Haut getestet habe) durchgehend ähnlich furchtbar riechen.

Fazit: man bemerkt es, nachdem man ihn gerochen hat - Kevin ist in Argentinien überall. An Taxifahrern und an Kellnern, an Kassierern im Kiosk und im Supermarkt - die flächendeckende Bepflasterung scheint gut zu funktionieren, da die dienstleistende männliche Bevölkerung (mit mutmaßlich wenig Geld für ein Parfum) dem Appell, Kevin zu benutzen, beinahe durchgehend folgt. Von daher gilt auch hier: Kevin ist kein Name, sondern eine Diagnose. Und sei es nur dafür, dass sich der Kellner mit der Karte nähert.
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