Black Calamus 2016

Axiomatic
10.04.2024 - 13:45 Uhr
38
Top Rezension
7
Preis
9
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
9
Duft

Bei den Olmeken

Eine der sich mir ständig aufdrängenden Fragen bezüglich der Duftfamilie ist die Kategorie „orientalisch“.
Sobald eine harzige Basis mit Vanille in Berührung kommt, verfrachtet man den Duft ins Vorderasiatische.
Dabei ist die Vanille dort nicht beheimatet und erst seit ein paar Jahrhunderten dem Westen als Würz- und Duftmittel bekannt.

Den folgenden Duft habe ich bewußt nicht als orientalisch eingeordnet und möchte eine etwas andere Anregung zur Kategorisierung geben.

Ohne den wagemutigen Parfumo Kokusai wäre dieses Duftabenteuer nicht möglich gewesen.
Ihm gebührt das edle Abzeichen des Jade Jaguars.

Zisch!

Süßlich herber, leicht erdiger Kalmus mit seinen medizinischen Heileigenschaften für den Verdauungstrakt begrüßt auf diesem Entdeckungsabenteuer.
Weiter Richtung Norden entlang des Golfs von Mexiko gedeiht dieses Sumpfgras, es wurde uns als Schutz gegen Magenverstimmungen und zur Stärkung mit auf den Weg gegeben.

Logbucheintrag auf widerstandsfähigem, trockenem Papyrus.
„Der Duft des Rhizoms beruhigt und stimmt entspannend. Ungewöhnlich zugänglich campherartig.“

Auf dem Markt deckten wir uns mit Pfeffer ein, sollte als Konservierungsmittel des Fleischproviants und für befreite Lungen sorgen.
Wir nahmen an, die Würze käme aus Südwest-Indien, doch wir irrten.
Xocosuchil nennen sie hier die heimische Variante des Pfeffers, etwas größer und dicker die Körner, reich an Aromen.
Neben dem herkömmlichen warmen Pfeffergeruch mischen sich etwas Gewürznelke und frische Koriandersamen unter und verbreitern das Duftspektrum.
Verschmitzt lächelte die Verkäuferin mit ihren leuchtenden und farbenfrohen Bändern, kunstvoll geflochten im Haar.
„So lockt der Jaguar in den Dschungel, Señores.
Nehmen Sie die Amulette aus Jade mit, es gibt dort trügerische Blumen!“

So betraten wir den dichten Regenwald dieser subtropischen Region Mexikos zwischen den Bundesstaaten Veracruz und Tabasco.
Die üblichen Überschwemmungen der Flüsse türmten morsches Mahagoni- und Zedernholz am Ufer auf, der Geruch so ätherisch animalisch. Im Werde-und-Sterbe Zyklus der gefiederten Schlange.

In Xalapa rieten uns Alteingesessene aus der spanischen Extremadura, nicht nur die Lederstiefel sondern auch die Baumwollhemden und Hosen mit Labdanum zu imprägnieren, ja sogar eine Pomade für die Haut sollte uns vor Insekten schützen.
Getrocknete Zistrosen in der rechten Brusttasche trösteten inmitten der Dunkelheit des Olmekenreiches.
Der riesige und voller Rätsel steckende steinerne Kopf dieser Kultur war der Anstoß unserer Reise gewesen.
Doch was sollte uns denn erwarten?
Waren wir dem gewachsen?

Die Imprägnierung, das morsche Holz, die Gewürze, all das färbte unser Sehfilter in bräunliche Schattierungen.
Verhängnisvoll.
Es waren die Farben der Nauyaca, jener Lanzenotter mit gefürchteter Erregung und tödlichem Gift.

Das Leder der Stiefeln hielt ihrem Biss stand und rettete unser Leben. Wir konnten rechtzeitig entkommen und die Viper bezwingen.
Lag es am klaren Kalmus, dass wir wie hypnotisiert und angstverdrängend dennoch die mit Vanille umrankten Zedern erreichen wollten?

Und da flog wie ein Lichtblick ein jadegrüner Papagei mit schönem Gefieder stolz über unseren Köpfen vorbei.
Zart der Geruch seiner Federn, pudrig diffus von orangenen und rosanen Blüten.
Er ließ sich an der rankenden Pflanze nieder und schnatterte los, als würde er uns die schicksalshafte Geschichte der Prinzessin Morgenstern und ihrem Entführer, Prinz Junger Hirsch, erzählen.
Wie sie gejagt und getötet wurden von den Priestern der Erntegöttin.
Wiedergeboren wurde er als kraftvoller Strauch, sie als Orchidee ihn liebkosend.
Und aus ihrem Blut erwuchs die Vanille.
Mehrere Jahrhunderte später sollten die Azteken sie Tlilxochitl nennen, die schwarze Blume.
Hier hieß sie einfach die gejagte Blume, Caxixanath.

Die nachtschwarzen Schoten benebelten unsere Sinne, tief dunkel und ledrig ihr trügerisch süßer und fleischlicher Geruch.
Den Kolibris erging es nicht anders. Angelockt von den grünlich gelben Blüten halfen sie bei der Bestäubung der kostbaren Pflanze während des kurzen Zeitfensters der Blütenöffnung.
Die sonderbare Pracht dieser Kletterpflanze zog uns in ihrem Bann, auf dass wir die Umgebung vergaßen.

Das Fauchen des Jaguars rief uns wach.
Ohne uns zu rühren starrten wir wie gebannt den König des Dschungels an.
Als die Raubkatze unsere Jade-Amulette erblickte, stolzierte sie noch ein paar Schritte und ließ sich vor dem Ballspieler erhaben nieder.

Die undenkbar alte, kunstvoll in Stein gemeißelte Abbildung des tapferen Sportlers, Bezwinger der Schlange, Schützer der Vögel und Verehrer des Jaguars.
Da saß er vor den heimischen Zedern, der Edle.

Alles fügte sich und wir wurden mit diesem mystischem Bild belohnt.

Und insgeheim freuten wir uns auf jene wohlverdiente Stärkung, deren Geruch durch erdigen Grund und dichtes Gehölz zu uns drang.
Irgendwo in der Weite wurde der noble Trunk zubereitet, das wussten wir.
Nur erdiger Kakao und herbe Vanille.
Es roch so anders, so stärkend, so schmerzlich weit entfernt.

Die Vanille war es, die uns Erlösung schenken sollte.

Wir verließen den Dschungel und erreichten unsere Bleibe.

Mit großer Freude wurden wir im Kreise der Gastgeber empfangen.
Wir mussten auf sie einen Eindruck mit all den Gerüchen gemacht haben.

Frisch medizinisch roch der Kalmus, breitgefächerter Pfeffer, dunkle, verwegene Hölzer, schützendes Labdanum, luftige Blüten, erdige Mysterien und eine sonderbar herbe Vanille.

Wir gehörten von nun an zu den Jaguaren.

Rochen wir nun mesoamerikanisch?
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