Saint-Germain-des-Prés 2019

Baptiste
27.02.2021 - 16:34 Uhr
38
Top Rezension
10
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft

Quartier der ewigen Jugend

Paris! Hach! Denkt man an Paris, so denkt doch jeder auf seine ganz eigene Weise an diese Stadt. Es gibt so unendlich viele Assoziationen zu Paris wie es unendlich viele Sehenswürdigkeiten in dieser Stadt gibt. Bei der Fülle der Auswahl ist die Beschreibung der besuchten Plätze, Orte und Bauten oft schwierig. Will man jemandem mitteilen, wo es etwas Großartiges zu sehen gibt, dann fällt irgendwann der Begriff Arrondissement oder Quartier. Und spätestens dann wird es unübersichtlich. Paris ist nämlich in 20 Arrondissements aufgeteilt. Diese 20 Stadtteile sind dann jeweils in 4 Quartiers, unterteilt. Macht also ganze 80 Viertel. Sind die Arrondissements noch spiralförmig vom Louvre ausgehend im Uhrzeigersinn angeordnet, so folgen die 80 Quartiers keinem nachvollziehbaren Muster. Darüber hinaus reden wir aber auch oft von Pariser Quartiers, die eigentlich gar keine sind. So z.B. das Quartier Latin, das sich zwar im 5. Arrondissement befindet, aber kein Verwaltungsbezirk an sich ist, sondern nur das Universitätsviertel beschreibt. Oder das szenige Marais im 4. und teilweise 3. Arrondissement mit seinen zahlreichen kleinen Boutiquen und Cafés.

Man kann Paris natürlich auch spasseshalber nach den Vorlieben der Tourist:innen aufteilen. Da gibt es auf dem Montmartre jene hoffnungslosen Romantiker:innen, die heulend den Moulin Rouge Soundtrack rauf und runter singen oder wie Amélie im Zorro Kostüm auf die Sacré-Cœur klettern und Himbeeren von den Fingern essen. Oder unterm Eiffelturm, wo sich die Weltausstellungsfreaks zum Selfie knipsen tummeln. Im Quartier Latin hingegen trifft man auf die Bibliotheken Nerds und Wegebier trinkenden Endlosstudierenden. Rund um den Louvre wimmelt es stattdessen von Royalisten und vor sich hin brabbelnden Kunsthistoriker:innen mit Nickelbrille und fragwürdigem Mona Lisa Lächeln. Dann ist da das Marais, in dem überwiegend queere Touristen durch die engen Strassen defilieren und bereits zu früher Stunde die zahllosen Straßencafes im Namen der Freiheit und Toleranz bevölkern. Und es gibt die Rue Saint-Honoré mit den Haute Couture Häusern in den Seitenstraßen, wo überwiegend Mitglieder der Parfumo Community sich und ihre Mördersillage von Parfümerie zu Parfümerie schleppen.

Und dann gibt es das Quartier Saint-Germain-des-Prés.

Es ist tatsächlich ein echtes Quartier und liegt im 6. Arrondissement und gilt als DAS Viertel der Intellektuellen und Künstler. Zumindest früher. Hier wurde der Existentialismus und mit Sicherheit auch viele weitere Ismen der Kunst und Literatur erfunden. Hier tummelten sich ab der Mitte des 20. Jahrhunderts alle Größen der Malerei, der Literatur, der Musik, des Films und des Boulevards. Man sagt, dass in einer kleinen Mansardenwohnung am Quai Malaquais Nr. 3 Romy Schneider und Alain Delon in ihren Anfangsjahren noch verliebt turtelten, während in den bekannten Cafés wie dem Les Deux Magots und dem Café de Flore sich die Stars und Sternchen bewundern ließen.
Anscheinend saß auch Hedi Slimane als kreativer Kopf der neuen Celine Parfum Linie des Öfteren in einem der Cafés am Boulevard Saint-Germain und ließ sich zu diesem Duft inspirieren. Er spricht von einem Quartier der ewigen Jugend mit seinem von Roman- und Kinohelden geprägten Look, den er hier eingefangen haben will.

Der Duft startet Dank Petigrain und Neroli frisch-grün als mögliche Anspielung auf den Zusatz „des Prés“, was „auf den Wiesen“ bedeutet. Dieser frisch grüne Ausflug auf die Wiese verschwindet jedoch bereits nach einigen Minuten wieder und es entwickelt sich eine für die Linie typische Pudrigkeit. Der Duft bleibt hell und man kann trotz zunehmender Süße eine ganze Weile das Neroli noch erahnen. Im weiteren Verlauf übernehmen Iris, Heliotrop und Vanille die Führung und der Duft erinnert an zerlassene Butter ohne dabei zu mächtig zu wirken. Das Duftkonzept bleibt hell cremig pudrig trocken süß und dunkelt zum Ende hin etwas nach. Die Präsenz des Duftes ist eher reduziert und hautnah, so dass man fast über den ganzen Tag eine feine und saubere, nicht zu süße Butter-Vanille-Creme Aura um sich hat. Das bedient den aktuellen Zeitgeist mit mehr Süße in Parfums, ist dabei aber nie anstrengend oder gar zu viel. Ich würde den Duft trotz Puder und Süße noch unisex einstufen. Sucht man nach Vergleichsdüften, so kann man sich leise, cremige Varianten von Diors Bois d'Argent und Guerlains Cuir Beluga vorstellen.

Saint-Germain-des-Prés ist ein lichter, minimal grünlicher, hell pudrig-cremiger, sehr edler und hochwertiger Sauberduft, den ich schätzen und lieben gelernt habe. Hier kratzt und beißt nix, so dass mir die Assoziation zum gleichnamigen Quartier nicht ganz gelingen will. Denke ich aufgrund der Historie bei Saint-Germain-des-Prés doch eher an etwas Buntes, Aufregendes, Verspieltes, Schillerndes und Unkonventionelles, so will der Duft diesbezüglich an erhoffter Raffinesse nicht so recht überzeugen.
Aber als Paris Liebhaber, der gerne auch mal (zumindest aus einer gewissen Tradition heraus) im touristischen Café de Flore sitzt und Menschen beobachtet, werde ich den Duft das nächste Mal auflegen. Und dann fühle ich mich sicher gleich viel jünger und komme vielleicht auch mit dem ein oder anderen Star oder Sternchen ins Gespräch. Vielleicht. Oder auch nicht. Macht ja nichts. Hauptsache jung. Hauptsache Paris. Hach.
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