Mitsouko 1919 Eau de Toilette

Baptiste
29.12.2017 - 16:10 Uhr
49
Top Rezension
10
Flakon
5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
10
Duft

The Rise and Fall of Mitsy Stardust

Am Abend des 3. Juli 1973 verkündete David Bowie auf der Bühne des Londoner Hammersmith Odeon mit den Worten “…not only is it the last show of the tour, but it’s the last show that we’ll ever do” das Ende von Ziggy Stardust. Während die Welt der Fans nach diesen Worten zusammenbrach, schuf Bowie mit ihnen einen Mythos. Ziggy Stardust, eine androgyne Kunstfigur, die an Liebe und Frieden glaubt, aber letztlich an seinem eigenen Leben scheitert und hymnengleich untergeht. The Rise and Fall of Ziggy Stardust and the Spiders from Mars, ein Album, das Rockgeschichte schrieb, den Glam Rock mit begründete und so viele andere Künstler bis in die heutige Zeit inspirierte.

Als Jacques Guerlain 1919 Mitsouko kreierte, erschuf er ebenfalls einen Mythos am Dufthimmel. Wie Ziggy Stardust wurde „Mitsy“, wie es gerne von seinen Fans genannt wird, schnell sehr erfolgreich, nahm Einfluss auf die Parfumwelt, brach mit dem typisch weiblichen Duftschema, in dem es mit Gewürzen, Vetiver und Eichenmoos mehr Männlichkeit verbreitete und somit das Garçon – Garçonne Thema belebte und gilt seitdem allgemein als Referenzchypre sowie als eines der besten Parfums, das je geschaffen wurden.

Aber neben noch so jedem anhaltenden Erfolg und Starrummel ist der Fall und Untergang nicht weit. Es war bei Mitsy jedoch nicht der Erschaffer selbst, also Guerlain, der den Todesstoß gab. Auch nicht die treuen Fans des Duftes, indem sie sich abwandten und leere Konzerthallen zurückließen. Nein, es waren die IFRA Richtlinien, von denen die Worte „but it’s the last show we’ll ever do“ stammten. Die IFRA, gegründet übrigens 1973, beschloss um die Jahrtausendwende, dass Bergamotte, Moschus und Eichenmoos auf den Index gesetzt wurden. Jene Bausteine also, die die Seele eines Chypre ausmachen, waren verboten und mussten, sofern man den Duft nicht einstellen wollte, ausgetauscht werden. An Mitsy wurde mehrfach rumreformuliert, aber erst in 2013 gelang es Thierry Wasser eine preisgekrönte Version zu erschaffen, die dem ursprünglichen Duft von 1919 wohl sehr nahe kommen sollte. Diese Reformulierung erfuhr nicht nur das Eau de Parfum und das Extrait, sondern auch das Eau de Toilette. Aber leider konnte das den Untergang von Mitsy Stardust nicht aufhalten.

Gerade das Eau de Toilette profitierte in meinen Augen am meisten von der Reformulierung. Der dunkle, muffige, brotteigartige Start nach dem Aufsprühen verschwand und wurde durch eine helle, transparente, zitrisch-blumige Kopfnote ersetzt. Es war als ob der Staub ganzer missglückter Generationen an Reformulierungen auf einmal abfiel. Mitsy erstrahlte im hell-würzigen Chypregerüst. Traumhaft. So traumhaft, dass ich es täglich trug, mich nicht satt riechen konnte, einen Vorrat anlegte, der mich zwei Jahre retten sollte und sogar eine Lobeshymne auf das Extrait verfasste.

Doch dann kam das Jahr 2015 und Mitsy Stardust erlitt schicksalshaft einen erneuten tiefen Sturz. Laut Guerlain gab es Probleme mit der Stabilität einiger Ingredienzien, die dazu führten, dass sich in der Kopfnote ein ledriger, teerartiger Duft breitmachte. Dies war für Guerlain marktwirtschaftlich ein Desaster, da für mehr als sechs Monate das EdP und das Extrait vom Markt genommen und die Produktion eingestellt wurde. Es hieß, dass das Eau de Toilette nicht betroffen sei und ich wiegte mich in Sicherheit. Welch fataler Fehler.
Das EdP, das Extrait UND das EdT waren von dieser Teernote betroffen. Und es war wieder Thierry Wasser, der sich erneut um Kopf und Kragen reformulierte bis Ende 2016 eine Version des EdT erschien, die zwar ohne Teer aber leider mit deutlich mehr synthetischer Monotonie und fehlender Frische in der Kopf- und Herznote aufwartete. In der Projektion mag das möglicherweise nicht so auffallen, aber der Ruhm von Mitsy Stardust ist für immer angeschlagen und der Fall als Signaturduft nur schwer aufzuhalten, wenn es an Alternativen mangelt.

Mir bleibt nichts anderes übrig als es Bowie auf seinen Konzerten gleich zu tun, in dem ich, bevor ich „Mitsy Stardust“ singe, frage: „Why do you kill Mitsy?“
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