N°5 1986 Eau de Parfum

Sleppy94
13.05.2021 - 07:59 Uhr
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Top Rezension

Ich denke ich verstehe langsam...

Sehr lange konnte ich es nicht ausstehen, wenn Douglas die Pröbchen der neuesten Version vom ach so berühmten und immer noch meistverkauften Chanel No. 5 mit zum Kauf reingelegt hat. Der Duft erinnerte mich an Omas, Klospray, Katzenurin und rostigen Schmuck gleichzeitig. Gab es früher nichts Besseres auf dem Markt? Hatten die Menschen keinen Geschmack? Ist er aufgrund eines lächerlich hohen Preises und des anschließenden Hypes berühmt worden und wird daher von imagebesessen Menschen ohne Geruchssinn gekauft? All das sind Fragen die in mir aufkamen jedes Mal, wenn ich von Chanel hörte.

Nach einem Jahr Corona-Langeweile im Home-Studying habe ich angefangen wie verrückt auf eBay für alte Parfümminiaturen zu bieten über die ich von russischen und amerikanischen Parfum-YouTube-Kanälen gehört habe. Ein wenig Weltgeschichte in süßen Fläschchen für wenige Euros direkt an die Haustür. Inzwischen bin ich ein wenig Shoppingsüchtig bei dem ganzen Auktionieren geworden, aber das ist eine andere Geschichte.

Jedenfalls hab ich, weil es gerade mal ein paar Euros kostete und bei einer Vintagesammlung nicht fehlen darf, ein schön alt aussehendes halbvolles Fläschchen der Eau de Parfum-Version erworben. Bevor ich Minis in meine kleine antike Glasvitrine stelle, probiere ich immer erst einen Tropfen aus. "Na, gut" denke ich mir und tu einen Tropfen auf meinen Handrücken.

"Gold" ist das erste, das mir in den Sinn kommt. Das Altmetall, was ich vorher hauptsächlich vernahm, ist hier lediglich eine winzige Schicht, die bei Vintageschmuck eben vorhanden ist. Das was ich als Stechen in der Erinnerung hab, ist hier lediglich ein Scheinen. Das Gold reflektiert die Sonnenstrahlen. Und was ich zuvor nie wahrgenommen habe ist die Wärme. Goldene, angenehme Wärme. Wie ein Raum, der durch einen Kamin beleuchtet wird.

Ist der Duft anders? Bin ich anders? Ich kramte den Tester der neueren Eau de Toilette-Version von Douglas heraus und besprühe damit die andere Hand. Die Antwort ist: Beides. Die alte EdP-Version ist tatsächlich wärmer und weniger stechend als die EdT-Version. Aber mittlerweile ist auch die EdT-Version facettenreicher für mich.

Fazit: No.5 scheint in der EdP-Version (oder zumindest in der älteren EdP-Version) tatsächlich gar nicht so schlecht. Warmes, seifiges, elegantes Vintagegold. Vielleicht werde ich es mir irgendwann, wenn ich über 40 bin sogar zulegen - wenn es nicht zum Schlechteren umformuliert sein wird. Jedoch scheint Erfahrung mit Vintage-Düften notwendig zu sein, um ihn in seiner Fülle wahrnehmen zu können. Ein direkter Umstieg von aktuellen Fruitchoulis und Zuckerbomben auf No. 5 wäre zu krass.
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