Le Lion de Chanel 2020

ParfumAholic
08.10.2020 - 11:21 Uhr
60
Top Rezension
10
Preis
10
Flakon
9
Sillage
9
Haltbarkeit
8
Duft

Gut und laut gebrüllt Löwe

Die Les Exclusifs-Düfte aus dem Haus Chanel haben es mir - seitdem ich bei Parfumo bin - wirklich angetan. Ich schätze die hohe Qualität und Unaufgeregtheit der Düfte, die für mich klassisch und zeitlos gehalten sind. Ebenso wie die weltberühmten Bouclé-Jacken und die 2.55 Taschen werden sie wohl nie aus der Mode kommen.
Die Düfte sind nie laut oder haben extreme / besondere Ecken und Kanten. Sie scheinen sich wie selbstverständlich in den Chanel-Kosmos einzufügen und das hochnoble Sortiment gekonnt zu ergänzen / abzurunden.

Und so war natürlich klar, dass der neue „Le Lion de Chanel“ direkt einen festen Platz auf meiner Merkliste bekam. Die Beschaffung einer Probe / Abfüllung gestaltete sich allerdings sehr schwierig, da der Duft wohl zunächst nur im Nahen Osten lanciert worden ist. Umso dankbarer war ich einer lieben Parfuma, die mir eine Abfüllung verkauft hat.

Unnötig zu erwähnen, dass ich den Dufttest nicht auf die lange Bank geschoben habe ;-))

Direkt nach dem Aufsprühen macht sich schweres, dunkles und sehr rauchiges Leder breit, das wohl auch ein paar harzige Flecken abbekommen hat. Leder ist zwar in der Duftpyramide nicht gelistet, aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass nur das gelistete Labdanum derartig ledrige Eigenschaften haben könnte.
Ich muss gestehen, dass mir dieses sehr opulente Leder-Opening schon fast etwas zu viel ist. Auch mein Gedanke (meine Hoffnung), dass das nur kurz in der Kopfnote so sein wird, sollte sich als falsch erweisen. Ich empfinde dieses Leder als sehr brachial und dominant. Und es mag für mich so gar nicht zu Chanel passen. Derbe Leder-Boots / Leder-Jacken zu dünnen Chanel-Kleidchen oder strengen schwarz-weiß-Looks mögen als Style-Brecher funktionieren, aber dann würde ich mir eher den Geruch von feinem Wildleder vorstellen.
Nach und nach gesellt sich würziges Patchouli hinzu, was den etwas derben Eindruck nur minimal mindert.
Quasi durch die Hintertür schleust Olivier Polge dann noch Vanille ein. Rauchige Vanille, die mich direkt an Shalimar denken lässt. Nicht ganz so wuchtig, wie bei Guerlain‘s Klassiker, aber eine gewisse Verwandtschaft lässt sich nicht abstreiten.
So raucht und dampft es für Stunden um mich herum und ich weiß gar nicht so genau, wie ich das nun finden soll. Eigentlich dachte ich, dass das Thema Leder mit Chanel‘s Cuir de Russie abgefrühstückt sei. Wozu dann diesen Leder-Duft? Und wie ich diesen Gedanken so nachhänge, lässt die Leder-Peitsche merklich nach und das Duftbild wandelt sich in eine warme, fast schon balsamische Basis. Hier ordnet sich das rauchige Leder mehr oder minder brav ein und lässt nun auch der Vanille (die offenbar ihre Rauchigkeit verloren hat) Raum zur Entfaltung. Es wird trotz allem kein Kuschel-Duft, eher ein harmonischer Leder-Duft mit einer weichen und unsüßen Vanille-Basis.
Gerade zum Ende hin mag ich den Chanel-Löwen. Auch wenn der Duft weiterhin eine eher dunklere Aura hat. Dieser Neue von Chanel ist wirklich anders und verlässt die bekannten Chanel-Duft-Pfade bzw. ergänzt diese um neue Facetten. In meine Sammlung einziehen wird der Duft nicht, ich erkenne aber gerne an, dass man mal etwas Neues gewagt hat.
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