Les Eaux de Chanel

Paris - Paris 2022

Hannah
07.05.2022 - 09:52 Uhr
83
Top Rezension
9
Flakon
6
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft

Morgengrau

Chanel Les Eaux sind die Art von Düften, die mir liegen. Reduziert und tragbar, aber doch nicht gewöhnlich. Unangefochtener Favorit ist Deauville, der nicht nur ein spritziger Sommerduft ist, sondern mein Sinnbild für unterkühlte Eleganz. Zitrische Düfte werden ja oft mit mediterraner Lebensfreude verbunden, Deauville dagegen bildet die raue Schönheit der Küste der Normandie ab. Herb und herbal. Wundervoll! Auch die anderen Les Eaux stehen mit ihren Namen im Einklang und allen gemein ist die gekonnte Einfachheit, die nicht ins Banale kippt.

Wie könnte Chanel Paris sich hier einreihen? Das Werbefoto zeigt den schlichten Flakon mit hellrosafarbener Flüssigkeit vor dem Hintergrund eines klaren und kühlen Pariser Morgens an der Seine. Der Himmel ist strahlend blau. Entspricht der Duft diesem Bild?

Paris ist längst nicht so klar und strahlend wie der Morgen auf dem Werbefoto. Zwar blitzen sofort die frisch-zitrischen Noten auf und der Pfeffer brizzelt in der Nase, aber nahezu zeitgleich ist auch die Rose präsent und ihre Blütenblätter mögen vielleicht einmal rosig gewesen sein, jetzt hat der Staub der Stadt einen feinen Schleier über sie gezogen. Dieses Graurosa ist durchaus apart, nimmt ihr aber auch ein wenig die Strahlkraft. Es ist der Staub des Lebens, den Patchouli auf sie legt und damit für die chypreähnliche Note moderner Prägung sorgt. Vielleicht ist es der feine Sandstaub, der von kastaniengesäumten Wegen in den Tuilerien geweht ist, vielleicht stammt er aus den Gassen des Quartier Latin. Das Ergebnis ist nonchalant, nicht schmutzig.

Zitrische Noten, Rose, Patchouli verbinden sich harmonisch im Stil eines Eau. Leicht, aber nicht wirklich leichtfüßig, sondern erwachsen und eine Spur melancholisch. Darin ähnelt er Eau Capitale von Diptyque, der im Vergleich intensiver, voller und etwas weicher ist. Auch Portrait of a Lady hat dieses Zusammenspiel von Zitrischem, Rose und Patch, aber viel komplexer und in strenger und fast gebieterischer Form.

Paris macht keine nennenswerte Duftentwicklung durch. Der Duft hat keine Süße, keine Schwere, wirkt kühl. Die Haltbarkeit ist für ein Eau ganz gut, die Sillage gering. Ich sehe ihn eher auf der femininen Seite, aber nicht ausschließlich. Aufgrund seiner melancholischen Seite ist er kein spritziger Sommerduft, andererseits prädestinieren ihn die colognehafte Leichtigkeit und die zitrischen Sprengsel auch nicht recht für die kalte Jahreszeit. Insofern stimmt für mich das strahlende Werbefoto nicht ganz mit der Realität überein. Bei mir hinterlässt der Duft einen graurosa Eindruck. Paris im Morgengrau, dem Übergang zwischen Tag und Nacht, noch vor dem Sonnenaufgang, aber doch mit einem ersten Aufblitzen von Rosa am Himmel. Die kühle Stimmung des Fotos stimmt. Wann und wo werde ich ihn tragen? Da Paris und ich noch nicht so lange befreundet sind, müssen wir unseren Weg vielleicht noch finden. Einen Versuch ist es in jedem Fall wert.
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