Ja, ich gebe es zu, ich bin Namensfetischistin. Oder wie nennt man Leute, denen schon der Titel eines Parfums Lust macht, den Duft unbedingt zu testen? Pah, höre ich da manche antworten, "What's in a name?".
Es gibt sogar Parfums, die bewußt "Untitled" heißen oder sich nur mit einer Zahl schmücken... - das berühmteste Beispiel ist natürlich Chanel No. 5. Eine etablierte, weltberühmte Firma wie Chanel könnte sicherlich heute noch ein Parfum lancieren und es "Chanel No. 0.3" oder "Chanel No. 68" nennen und hätte Erfolg damit.
Was aber macht der Inhaber einer Designfirma im französischen Boulogne-Billancourt, ein gewisser Herr Thierry Lemahien, der die Ecole Supérieure de Design in den 80er Jahren abgeschlossen hat und vor vier, fünf Jahren auf der Suche nach einer neuen Business-Idee war? Er gründet ein Parfum-Label.
Leider kenne ich M. Lemahien nicht persönlich, sonst würde ich ihn fragen, warum er seine "Brand" ausgerechnet so genannt hat wie eine uralte persische Sportart, das "Chaugan", einen Vorläufer des Polo-Spiels. Mit dem Begriff "Chaugan" konnte ich nichts anfangen (nun, ich bin ohnehin nicht sportlich und interessiere mich höchstens für Fußball, hier besonders für Fortuna Düsseldorf... - aber lassen wir das).
Auf YouTube findet man ein Video, das in Mailand auf der Parfum-Messe aufgenommen wurde, in welchem M. Lemahien erklärt, was "Chaugan" bedeutet, welche Inspiration hinter seinen Parfums steckt ( d.h. Persien, die uralte Kultur und natürlich persische Märchenprinzesinnen!).
Merci, der Rahmen ist somit definiert.
Da ich Rosendüfte zwar mag, aber Prinzesinnen und das ganze unfaßbar redundante Klischee-Gebilde dahinter nicht (1000-und-eine-Nacht, Schehrazadeh, Isfahan, Sesam-Öffne-Dich etc.), sprach mich der Duft "Terre de Perse" mehr an als die anderen Parfums von Chaugan.
Doch was evoziert dieser Begriff "Persische Erde"?
Man stelle sich vor, ich käme auf den Gedanken, eine eigene Duftlinie zu entwerfen (Ideen hätte ich übrigens genug, nur mangelt es mir an Fachkenntnissen, bin ja keine Parfümeurin) und hätte ein Eau de Parfum im Portfolio, das "Terre allemande" hieße? Könnte ich nicht machen, ohne politisch in eine ganz üble Ecke eingeordnet zu werden. Aber abgesehen von diesem Gedankenspiel vermute ich, daß "Terre de Perse" ganz bewußt "Perse" heißt und nicht Iran. Der Designer aus Frankreich bezieht sich explizit auf die alte persische Kultur, nicht auf das seit 1979 bestehende Mullah-Regime.
So weckte M. Lehmahien also sofort mein Interesse. Der Namensfetischist in mir möchte unbedingt wissen, wie der Duft riecht. Vielleicht ist er ganz, ganz toll und könnte Eingang in meine Sammlung finden?
Gandix, die den Duft schon getestet hatte, war so lieb, mir ihre Abfüllung zu schicken. (Vielen Dank dafür!).
Sie hat mich vor einem blind buy bewahrt, denn ich gebe zu... ja, es juckte mich schon in den Fingern.
Die Noten lasen sich sehr vielversprechend.
Zitrone in der Kopfnote, Pfeffer - ganz mein Ding.
Und wirklich, der Duft legt einen fulminanten Start hin. Nach dem Pfeffer folgen sehr schnell andere Gewürze, die ich auch sehr liebe, z.B. Kardamom, Ingwer, Zimt. Besonders Zimt und Kardamom sind wichtige Bestandteile der persischen Küche.
Ein Akkord aus Gartennelke und Magnolie läßt einen ganz geringen Blumenhauch aufziehen, der jedoch sehr schnell von der weichen,üppigen Basis aus Amber, Tonka und Moschus verdrängt wird.
Überhaupt, die Basis. Sehr anschmiegsam. Viel zu lieb.
Wer Vergleiche zum "Terre" von HERMES ziehen möchte, dem kann ich sagen, daß die beiden überhaupt keine Gemeinsamkeiten aufweisen. Kein Vetiver in "Terre de Perse". Auch kein Galbanum (was ein sehr persischer Inhaltsstoff gewesen wäre). Die "persische Erde" wirkt auf mich wie ein sehr braver, wenig einfallsreicher Versuch, einen leicht "angenischten" Duft unter jene zahlungskräftigen Kunden zu bringen, die immer wieder nach neuen Produkten aus dem Luxusbereich gieren.
Ich konnte übrigens nicht in Erfahrung bringen, welcher Parfumeur hinter den Düften von "Chaugan" steckt.
Vermutlich ist es eine französische Firma, die Auftragsarbeiten aus der Industrie ausführt.
Wenn das Briefing mal steht (in diesem Fall: "Macht mir einen Duft, der würzig ist, aber niemanden verstört und mixt paar Gewürze hinein, die einen Persien-Vibe haben") , ist die Ausführung sicherlich ein Kinderspiel.
Es gibt unzählige solcher vermeintlichen "Niche-Brands" , die lediglich Düfte in "rare distribution" verkaufen, ohne eigene parfümistische Einfälle, ohne künstlerischen Impetus. Diese Produkte bedienen Sehnsüchte und evozieren sogenannte "Duftwelten", in diesem Falle Persien, bzw. das, was man sich in Europa gemeinhin so unter diesem Land vorstellt. Man kann den Rahmen locker austauschen, nehmen wir z.B. Afrika, dann würden sofort andere Assoziationen wach und der Duft würde "Terre d'Afrique" heißen und wahrscheinlich eine neuartige Solarnote aus dem Chemielabor enthalten (ich vermute aber, "Terre d'Afrique" existiert bereits, "Terre de Perse" war noch frei).
Die anderen Düfte der "Chaugan-Reihe" habe ich wie gesagt noch nicht getestet, aber nachdem die erste Begegnung so wenig begeisternd ausgefallen ist, reizen mich die anderen Eaux nicht besonders. Ich kann mir genau vorstellen, wie die Rosenprinzessin aus Isfahan riecht. Ganz nett, nicht allzu synthetisch, aber letzten Endes ohne Alleinstellungsmerkmal. Ohne Wiedererkennungswert. Eben so ähnlich wie "Terre de Perse", einem ganz angenehmen EdP aus einer Design-Schmiede in Boulogne-Billancourt. Dort wurden auch schon Verpackungen für die Haarpflegeprodukte der Firma Dessange entworfen.
Preislich gesehen liegen die Chaugan-Düfte im oberen Mittelfeld. "Aus Liebe zum Duft" führt sie aktuell (Mai 2019) für circa. 98 Euro, aber ich sah auch schon einige Angebote für 79 € und ebenfalls für 69 € (französische Webseiten). Man kann auch 110 € für 50 ml "Terre de Perse" hinblättern.
Fazit: Nur des Namens wegen kaufe ich kein Parfum.
Es steckt meistens sowieso nur eine clevere Design-Firma dahinter.