Essence N°6: Vetiver von Elie Saab

Essence N°6: Vetiver 2015

Augusto
12.10.2018 - 07:50 Uhr
16
Top Rezension
8Duft 8Haltbarkeit 8Sillage 6Flakon

Die Smaragdkugel

Die deutliche Handschrift Kukdjians und auch die Iso-E-Super Aufladung, die hier oft genug wie eine Glaubensfrage behandelt wird, stören mich in diesen Duft ganz und gar nicht. Sie sind deutlich vorhanden und gekonnt eingesetzt dafür, eine Essenz des Vetivers zu kreieren. Aromen, natürlich gleichwertig zu synthetisch selbstverständlich, in höchster Qualität, auch die Vorstellung von Vetiver und seine gewohnte Verbauung in Herrendüften und als Modernisierer und Verschlanker von komplexen traditionellen Damendüften.
Um bestimmte Facetten hervor zu heben und zu verlebendigen. Es ist auch nicht "nur" ein Vetiveracetatduft wie bei den Molecules, sondern im Effekt zeigt sich mir eine leuchtend grüne Kugel, die im Wind fliegt und sich dreht wie der Star in einem dieser Seifenblasenhappenings von Francis Kurkdjian. Schön, verspielt, Tanz.
Das mag den einen langweilen, zu glatt oder zu wenig sein, mir gefällt diese klar erkennbare Stilistik.

Also: Unterstellen wir mal, "Essence No. XY" sei nicht nur eine weitere Hochpreislinie, die auch einen Namen zur Vermarktung braucht, und nehmen wir mal an, der Parfumeur will das, was er für die Essenz von Vetiver hält, in Szene setzen.
Dann finden wir hier von Beginn an ein romantisch weiches Moment, samtig oder besser feucht glänzend und auf der anderen Seite eine helle bittere seifige Schicht. Diese Schichten werden auf- und gegeneinander gelegt, gedreht, in Spannung gebracht und ausgespielt im besten Sinn des Wortes.

Das Gras, die kühle Feuchtigkeit von Vetiver, seine Schlankheit und Klarheit, aber auch die Nussigkeit und Holzigkeit, sogar eine leichte Süße kann ich im Wechelspiel der Momente über Stunden bei diesem Duft ausmachen. Mir begegnet die klassische maskuline Anzugträger-Gepflegtheit des Vetivers, die erfrischend angenehm und distiguiert rüberkommt. Aber genauso auch die moderne schlanke Linie, die mit den bekannten Facetten spielt und einen grün-blau schillernden Bogen schägt von alt zu neu.

Der Duft schillert in meiner Wahrnehmung, er leuchtet hin und wieder fast Neongrün, dann mit einer kleinen langsamen eleganten Drehung erscheint er mir wieder natürlich Grasgrün mit einem Tropfen Tau. Dann, strenges braunes Holz. Tannengrün. Die Mischung erinnert mich irgendwann ein wenig an Galbanum mit seiner bitter-verlebendigenden Wirkung. Nach einigen Stunden, die für mich, AugustA, zu Anfang einen eher schmeichelnden und duftig verlaufenden Charakter haben, wird der Duft auch mal längere Zeit etwas seifig scharf, als wolle er zeigen, dass er das auch kann, kippt dabei aber nie ganz in den Altherrenrasierschaum, der auf Frauenhaut ein wenig deplaziert wirken könnte. Er fängt das mit einer weiteren Drehung locker ab und tanzt wieder in allen Facetten von schillerndem Grün, voller Licht. Die Seifenblase fliegt weiter und platzt sachte auf der Haut, alle möglichen Grünaromen verströmend, bis eine neue vorbei tanzt.
In der Basis, die also solche kaum erkennbar ist, gleitet der Duft wieder etwas mehr ins Holzige, wird dabei süßlicher, leicht nussig, aber nie balsamisch oder ganz ruhig. Er pulsiert weiter, langsamer und leiser.

Für mich ist dieser Duft intensiv, obwohl monchrom doch farbenfroh. Facettenreich, minimalistisch in der konsequenten Darstellung von Vetiver und allem was sich dran gut anschließt, also auch etwas leicht blumiges, etwas erdig-holziges, strenges genauso wie wasserklare Frische. Und ja, extrem modern auch. Dabei nie überdreht, für vetiverfreudige Damen wie mich wie geschaffen. Hält lange und ist nie aufdringlich bei guter Abstrahlung. Kurz, ich mag ihn sehr, diesen leuchtenden Smaragdball und er macht wieder einmal klar, warum ich Vetiver so mag, auch wenn es nicht gerade die femininste aller Duftnoten sein mag. Das ist aber eh kein Kriterium. Kontraste machen sich ja gut und dieser Duft ist für Herren selbstredend eine leuchtende Zier und an Damen ein sehr interessanter Nose-Catcher.

Ach ja, Ausflüge in die Parfumhistorie - und da würde sich bei Vetiver viel anbieten von Guerlain über Chanel bis ELDO - werden für meine Wahrnehmung weitgehend vermieden, was ich angenehm finde. Der Duft steht für sich. Und so steht er gut.
4 Antworten
SescuseSescuse vor 5 Jahren
Ein wunderbarer Kommentar für einen tollen Duft. Nehme ihn sehr ähnlich war!
TasteExploreTasteExplore vor 5 Jahren
Sehr gut differenzierter Beitrag zu einem Duft, der mir eine weitere, unbekannte Facette von Vetiver eröffnet hat und Dank einer Parfuma nun in meine Sammlung eingezogen ist.
AusterAuster vor 5 Jahren
Ganz toll beschrieben! Danke für den Kommentar.
M3000M3000 vor 7 Jahren
Sehr treffende Worte. Ich habe den auch vor wenigen Tagen seit längerem mal wieder getragen und hatte fast seine Qualität vergessen. Eigen und stilvoll.