31.03.2018 - 04:13 Uhr
Nosynora
10 Rezensionen
Nosynora
Top Rezension
17
Die Veilchenpeitsche
Curated by Girls-Party im St.George Club. Treppe runter. Ausstellung und Party, viele Bilder an der Wand gegenüber der Bar, viel Bunt, auch in den Haaren. Volles Haus, voller Dance Floor. Nearly everybody is talking in English, somehow. Börlin, Börlin.
Ich versuche, eine aufflammende Klaustrophobieattacke zu ignorieren und tauche unter einem verkleideten Rohr durch, das recht massiv quer in der Mitte durch einen Türrahmen läuft. Gehe um die Ecke und befinde mich in einer Art Katakombensackgasse. Eine Rauminstallation, fancy chairs and decoration, darin verarbeitet jede Menge artificial boobs aus Gummi, etwas größer als Tennisbälle. Real crazy shit. Party crowd steht Schlange, um sich reinzusetzen und zu posen, lässt sich von der gazellengleichen Künstlerin fotografieren, knipst sich gegenseitig, macht Selfies.
Daneben in einer Ecke drei schwarze Holzstehtische mit Parfumproben und Tester, dahinter Banner mit einem Flakon, inszeniert als Molotov Cocktail im Multicolor- Andy-Warhol-Look. Starting conversation with Anne from Brooklyn, a short haired, sporty, sophisticated, beauty. Living in Berlin for more than a year now. Trägt ein Tank Top und einen beeindruckend großen Love Bite am Halsansatz. Ich: Did you create this fragrance? Anne: No, I am just supporting. Have you heard about Geza Schön?
Exkurs eins: Escentric 01 oder – ganz unromantisch ausgedrückt - Iso E Super ist seit ein paar Jahren mein absolut ungeschlagener Lieblings-Dancefloor-Begleiter.
Exkurs zwei: Clubs und Gerüche. Als irgendwann das Rauchverbot da war, waren plötzlich auch die ganzen andere Gerüche da. Menschliche vor allem, und verschüttete Getränke, in der St.George-Sackgasse versehen mit der Komponente „leicht mockernder Kellerziegel“. Interessantes olfaktorisches Passepartout für einen Parfumtest, denke ich mir.
Based on violets and leather, sagt Anne und reicht mir einen Tester. Ein sanfter Pumpstoß auf die Haut. Zuerst sind die Veilchen da, blumig, mit erfreulich zurückhaltend dosierter Süße, und überraschend laut. Und dann steh ich plötzlich im Tempel einer neuen, mir unbekannten Gottheit. Nahe am Altar, als wäre ich Novizin oder Sängerin im Chor. Das Räucherwerk ist weder katholischer Weihrauch noch asiatisches Räucherstäbchen, ist etwas rau und doch frisch-fein-würzig, und in der Symbiose mit den Veilchen gerade eben nicht krawallig oder eben gerade doch? Ich überlege, ob ich das alles gerne mag, oder eben gar nicht. Ich mag es, sogar sehr. Der Duft ist ungewöhnlich, wild und mit Stil, weil komplex und harmonisch auf hohem Niveau. Schafft sich Platz, ohne schwer oder schwerfällig zu werden. Hat was auch frisches wie von Zitrus, aber ohne erkennbaren Zitrus. Er kommt mir vor wie ein älterer Duft aus einer Zeit, lange bevor die Bosse der Chemieindustrie entschieden hat, dass alle Frauen blumig-süß und alle Männer holzig-herb zu tragen haben. Erotisch-dekadentes Berlin in den späten Zwanzigern, rauchende, geschminkte Frauen in Herrenanzügen, und Opium und Kokain gibt´s noch ohne Rezept in der Apotheke. Den rosa Pfeffer und die Wacholderbeeren hätte ich selbst nicht definieren können, aber der entsprechende Hinweis (what´s juniper berries in German?) macht auch sofort für meine Nase Sinn.
Anne und ich reden über den Sinn des Lebens, laufend kommen neue Menschen, machen Selfies, testen den Duft, irgendwann wird es immer enger, und ich muss jetzt raus aus der Panikfalle, will an die Bar. Ich sprühe noch ein zweites Mal. I´d love to have one, sage ich, und suche meine Karte. Sorry, card reader doesn´t work down here, sagt eine Fashion-Punk-Mom, schwarz gekleidet, dunkelrote Lippen, Nerd-Brille und D-Cup. Mein Trostpreis sind zwei Proben.
Am nächsten Morgen ist der Tempel immer noch da, wesentlich leiser, mehr rosa vom Pfeffer als lila von den Veilchen, und eher so wie eine Art Urlaubsfoto. Und ich überlege mir, ob es ist wie mit dem Wein, der dir in Spanien in der Bodega so gut geschmeckt hat, dass Du eine Kiste mit nach Hause nimmst, und auf deinem eigenen Sofa, so ganz ohne Sonne und Meer, ist es dann nicht mehr so. Zwei Wochen später ordere ich online.
Feminista ist nichts für eine verwundete Seele, sondern definitiv ein Duft für Tage, an denen ich dicke Eier habe. Oder für schlechte Tage, an denen ich mich zusammenreiße und mir sage, jetzt erst recht. Die politischen Aktivitäten rund um die Marke sind nice to have, bin allerdings auch nicht wirklich tief eingestiegen. Die Komplimente für den Duft kommen bisher von der richtigen Seite.
Ich versuche, eine aufflammende Klaustrophobieattacke zu ignorieren und tauche unter einem verkleideten Rohr durch, das recht massiv quer in der Mitte durch einen Türrahmen läuft. Gehe um die Ecke und befinde mich in einer Art Katakombensackgasse. Eine Rauminstallation, fancy chairs and decoration, darin verarbeitet jede Menge artificial boobs aus Gummi, etwas größer als Tennisbälle. Real crazy shit. Party crowd steht Schlange, um sich reinzusetzen und zu posen, lässt sich von der gazellengleichen Künstlerin fotografieren, knipst sich gegenseitig, macht Selfies.
Daneben in einer Ecke drei schwarze Holzstehtische mit Parfumproben und Tester, dahinter Banner mit einem Flakon, inszeniert als Molotov Cocktail im Multicolor- Andy-Warhol-Look. Starting conversation with Anne from Brooklyn, a short haired, sporty, sophisticated, beauty. Living in Berlin for more than a year now. Trägt ein Tank Top und einen beeindruckend großen Love Bite am Halsansatz. Ich: Did you create this fragrance? Anne: No, I am just supporting. Have you heard about Geza Schön?
Exkurs eins: Escentric 01 oder – ganz unromantisch ausgedrückt - Iso E Super ist seit ein paar Jahren mein absolut ungeschlagener Lieblings-Dancefloor-Begleiter.
Exkurs zwei: Clubs und Gerüche. Als irgendwann das Rauchverbot da war, waren plötzlich auch die ganzen andere Gerüche da. Menschliche vor allem, und verschüttete Getränke, in der St.George-Sackgasse versehen mit der Komponente „leicht mockernder Kellerziegel“. Interessantes olfaktorisches Passepartout für einen Parfumtest, denke ich mir.
Based on violets and leather, sagt Anne und reicht mir einen Tester. Ein sanfter Pumpstoß auf die Haut. Zuerst sind die Veilchen da, blumig, mit erfreulich zurückhaltend dosierter Süße, und überraschend laut. Und dann steh ich plötzlich im Tempel einer neuen, mir unbekannten Gottheit. Nahe am Altar, als wäre ich Novizin oder Sängerin im Chor. Das Räucherwerk ist weder katholischer Weihrauch noch asiatisches Räucherstäbchen, ist etwas rau und doch frisch-fein-würzig, und in der Symbiose mit den Veilchen gerade eben nicht krawallig oder eben gerade doch? Ich überlege, ob ich das alles gerne mag, oder eben gar nicht. Ich mag es, sogar sehr. Der Duft ist ungewöhnlich, wild und mit Stil, weil komplex und harmonisch auf hohem Niveau. Schafft sich Platz, ohne schwer oder schwerfällig zu werden. Hat was auch frisches wie von Zitrus, aber ohne erkennbaren Zitrus. Er kommt mir vor wie ein älterer Duft aus einer Zeit, lange bevor die Bosse der Chemieindustrie entschieden hat, dass alle Frauen blumig-süß und alle Männer holzig-herb zu tragen haben. Erotisch-dekadentes Berlin in den späten Zwanzigern, rauchende, geschminkte Frauen in Herrenanzügen, und Opium und Kokain gibt´s noch ohne Rezept in der Apotheke. Den rosa Pfeffer und die Wacholderbeeren hätte ich selbst nicht definieren können, aber der entsprechende Hinweis (what´s juniper berries in German?) macht auch sofort für meine Nase Sinn.
Anne und ich reden über den Sinn des Lebens, laufend kommen neue Menschen, machen Selfies, testen den Duft, irgendwann wird es immer enger, und ich muss jetzt raus aus der Panikfalle, will an die Bar. Ich sprühe noch ein zweites Mal. I´d love to have one, sage ich, und suche meine Karte. Sorry, card reader doesn´t work down here, sagt eine Fashion-Punk-Mom, schwarz gekleidet, dunkelrote Lippen, Nerd-Brille und D-Cup. Mein Trostpreis sind zwei Proben.
Am nächsten Morgen ist der Tempel immer noch da, wesentlich leiser, mehr rosa vom Pfeffer als lila von den Veilchen, und eher so wie eine Art Urlaubsfoto. Und ich überlege mir, ob es ist wie mit dem Wein, der dir in Spanien in der Bodega so gut geschmeckt hat, dass Du eine Kiste mit nach Hause nimmst, und auf deinem eigenen Sofa, so ganz ohne Sonne und Meer, ist es dann nicht mehr so. Zwei Wochen später ordere ich online.
Feminista ist nichts für eine verwundete Seele, sondern definitiv ein Duft für Tage, an denen ich dicke Eier habe. Oder für schlechte Tage, an denen ich mich zusammenreiße und mir sage, jetzt erst recht. Die politischen Aktivitäten rund um die Marke sind nice to have, bin allerdings auch nicht wirklich tief eingestiegen. Die Komplimente für den Duft kommen bisher von der richtigen Seite.
4 Antworten