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Sehr hilfreiche Rezension
Das Dandy-Experiment
Woher kommt die bräunlich anmutende Kräutersud-Eröffnung? Liegts am Wacholder oder dem Zedernblatt? Es erinnert fast an Schwedentrunk, Schwedenkräuter, auch Schwedenbitter genannt. Diese sehr persönlich empfundene Kopfnote weicht nach wenigen Minuten einem soliden Barbershop-Duft mit Kick zur Noblesse, denn Lorbeer und Tannenbalsam blicken in der Herznote mit erhobenen Nasen und hochgezogener Braue drein. Mit gleicher Miene gesellt sich die Zeder in der Basis hinzu. Gleichwohl bleibt der Kräutersud stets im Hintergrund präsent.
Das ist schonmal kein abendlicher Ausgehduft. Ein Sommerduft ist das freilich auch nicht. Allein, wer "Elite" trägt, steht außerhalb der Jahreszeiten, jenseits von modisch Gut und Böse - ein zeitgeistiger Nihilist gewissermaßen. Allemal existiert der "Elite"-Träger abseits des Mainstream.
Ein kleines Gedankenexperiment: Könnte dieser eindeutig konservative Duft ein adäquates Accessoire für den modernen Dandy sein?
Will man "Elite" im modernen Dandyismus verorten, so darf man einen ausgeprägten Snobbismus als Widerstand gegen den Massengeschmack unterstellen. Denn es zeigt sich gerade in der Flucht der Tagestrends ein mehr oder weniger verholener Zug zum Elitären. Wie der Konservatismus am Altbewährten hängt, neigt der moderne Dandy zum altmodisch Anti-Modernen. Der Dandy des fin de siècle soll übrigens blumigen Parfums nicht abgeneigt gewesen sein, vielleicht im Rückgriff auf barockere Zeiten. Mir kriecht die Edelstein-besetzte Schildkröte über den persischen Teppich des Des-Essaintes in den Sinn, wie sie in Huysmans' À rebours beschrieben wurde. Solcherlei Excentrik findet sich beim modernen Dandy nicht - politisch korrekterweise füge ich hinzu: hoffentlich. Zurück zum Duft: Der heutige Dandy riecht zuweilen herb-krautig oder auch irgendwie "altmodisch". Damit wäre Floris' "Elite" der ideale Kandidat.
Doch ach - je länger ich den Flakon hin und herwende, will sich der Floris-Duft einfach nicht in das ihm zugedachte Bild fügen. Lorbeer und Tannenbalsam heben jeweils eine Braue, die Zeder pflichtet bei. "Elite" ist allemal ein konserativer Duft, der aber fast pikiert unserem flamboyanten Dandy gegenübersteht. Allzu bodenständig verharrt das Gebräu, wo ein Sturm der Ironie vonnöten wäre. Alldieweil ich mir von Anwendung zu Anwendung - i.e. das herbfrische Vergnügen des Aufsprühens - die Frage stelle, was an "Elite" so elitär sein soll, lässt sich dieser Duft einfach nicht in meine Dandy-Phantasie integrieren.
Gleichwohl, dass wir uns nicht falsch verstehen, ist "Elite" durch und durch ein Gentleman, der im Konservatismus verwurzelt ist. Konträr zu bodenständigem Konservatismus posiert aber der Dandy in einer Geste ironisch gebrochenener Nostalgie. Solcherlei Pose ist jedoch mit "Elite" durchaus nicht zu machen. Ein Manko, das der Dandy unmöglich, ein Gentleman mit Leichtigkeit zu verschmerzen weiß. Kein Dandy kommt ohne elitäres Bewusstsein aus. Allein, es verweigert sich dieser Duft der ironischen Pose oder exaltierter Nostalgie. So fällt flamboyantes Ausgehen am Abend aus, denn wir haben es mit einem Gentleman zu tun, der sich in einem Sinne Elite nennt, als er jedem Hedonismus, auch geistigem, geflissentlich aus dem Wege geht, um unter kontrolliertem Triebverzicht seine Aufgaben zu erfüllen. All zu viel Ironie wäre da nur hinderlich. Um solcherlei Establishment dürfte der Dandy einen weiten Bogen schlagen. Man stelle sich vor, dass zu Zeiten der französischen Revolution zur élite gezählt wurde, wer sich, anders als der Adel, die gesellschaftliche Position selbst erarbeitet hatte. Solch ernsthafter Bemühung ist der Dandy nicht sonderlich zugetan.
Kommen wir zu einem Dandy der Finanzen: Als Klaus Zumwinkel gelegentlich der einen oder anderen Steuerhinterziehung in seiner Villa verhaftet wurde, soll diese sich in ziemlich revovierungsbedürftigem Zustand befunden haben. Der Konzernlenker zählte sich bis zu diesem Zeitpunkt zur Leistungselite des Landes, doch sein Heim war öd und schmucklos. Und in einem ähnlichen Sinne wird der hier besprochene Duft seinem eigenen Namen auf einer höheren Ebene gerecht. Der Elite anzugehören bedeutet in diesem Sinne nämlich, straff eingebunden zu sein und mehr als alles andere Pflichterfüllung und Genussverzicht. Nicht die hedonistische Lesart des Elitenbegriffs ist hier gefragt, sondern eine nüchtern-realistische: Wer diesen "Elite" trägt, geht nicht aus, steht außerhalb der Jahreszeiten, steht jenseits von modisch Gut und Böse und ist ein Nihilist, aber - Gott bewahre - kein Dandy oder Nostalgiker.
Die gesellschaftliche Elite ist, wie so manches Nimbus-Behaftete, nur aus der Ferne so recht faszinierend. Aus der Nähe betrachtet ist da viel, viel Alltag, Beständigkeit ohne Ende und die Banalität des Establishments mit all seinen Fehlbarkeiten. Und genau das ist "Elite" von Floris: Ein solider Duft für den Alltag des pflichtbeflissenen Gentleman. Ganz schön altmodisch und damit vielleicht doch ein Kandidat für den Dandy von heute, sofern dieser Snob nicht nach Authentischerem verlangt - oder nach Exaltierterem wie der Schildkröte des Des-Essaintes. Ich meines Teils greife zu Penhaligon's Blenheim Bouquet, wenn der Dandy in mir lächelt. "Elite" ist mehr was für den durchschnittlichen Arbeitsalltag bei Kaffee, Pflichterfüllung und der Hoffnung, damit durchzukommen.
Das ist schonmal kein abendlicher Ausgehduft. Ein Sommerduft ist das freilich auch nicht. Allein, wer "Elite" trägt, steht außerhalb der Jahreszeiten, jenseits von modisch Gut und Böse - ein zeitgeistiger Nihilist gewissermaßen. Allemal existiert der "Elite"-Träger abseits des Mainstream.
Ein kleines Gedankenexperiment: Könnte dieser eindeutig konservative Duft ein adäquates Accessoire für den modernen Dandy sein?
Will man "Elite" im modernen Dandyismus verorten, so darf man einen ausgeprägten Snobbismus als Widerstand gegen den Massengeschmack unterstellen. Denn es zeigt sich gerade in der Flucht der Tagestrends ein mehr oder weniger verholener Zug zum Elitären. Wie der Konservatismus am Altbewährten hängt, neigt der moderne Dandy zum altmodisch Anti-Modernen. Der Dandy des fin de siècle soll übrigens blumigen Parfums nicht abgeneigt gewesen sein, vielleicht im Rückgriff auf barockere Zeiten. Mir kriecht die Edelstein-besetzte Schildkröte über den persischen Teppich des Des-Essaintes in den Sinn, wie sie in Huysmans' À rebours beschrieben wurde. Solcherlei Excentrik findet sich beim modernen Dandy nicht - politisch korrekterweise füge ich hinzu: hoffentlich. Zurück zum Duft: Der heutige Dandy riecht zuweilen herb-krautig oder auch irgendwie "altmodisch". Damit wäre Floris' "Elite" der ideale Kandidat.
Doch ach - je länger ich den Flakon hin und herwende, will sich der Floris-Duft einfach nicht in das ihm zugedachte Bild fügen. Lorbeer und Tannenbalsam heben jeweils eine Braue, die Zeder pflichtet bei. "Elite" ist allemal ein konserativer Duft, der aber fast pikiert unserem flamboyanten Dandy gegenübersteht. Allzu bodenständig verharrt das Gebräu, wo ein Sturm der Ironie vonnöten wäre. Alldieweil ich mir von Anwendung zu Anwendung - i.e. das herbfrische Vergnügen des Aufsprühens - die Frage stelle, was an "Elite" so elitär sein soll, lässt sich dieser Duft einfach nicht in meine Dandy-Phantasie integrieren.
Gleichwohl, dass wir uns nicht falsch verstehen, ist "Elite" durch und durch ein Gentleman, der im Konservatismus verwurzelt ist. Konträr zu bodenständigem Konservatismus posiert aber der Dandy in einer Geste ironisch gebrochenener Nostalgie. Solcherlei Pose ist jedoch mit "Elite" durchaus nicht zu machen. Ein Manko, das der Dandy unmöglich, ein Gentleman mit Leichtigkeit zu verschmerzen weiß. Kein Dandy kommt ohne elitäres Bewusstsein aus. Allein, es verweigert sich dieser Duft der ironischen Pose oder exaltierter Nostalgie. So fällt flamboyantes Ausgehen am Abend aus, denn wir haben es mit einem Gentleman zu tun, der sich in einem Sinne Elite nennt, als er jedem Hedonismus, auch geistigem, geflissentlich aus dem Wege geht, um unter kontrolliertem Triebverzicht seine Aufgaben zu erfüllen. All zu viel Ironie wäre da nur hinderlich. Um solcherlei Establishment dürfte der Dandy einen weiten Bogen schlagen. Man stelle sich vor, dass zu Zeiten der französischen Revolution zur élite gezählt wurde, wer sich, anders als der Adel, die gesellschaftliche Position selbst erarbeitet hatte. Solch ernsthafter Bemühung ist der Dandy nicht sonderlich zugetan.
Kommen wir zu einem Dandy der Finanzen: Als Klaus Zumwinkel gelegentlich der einen oder anderen Steuerhinterziehung in seiner Villa verhaftet wurde, soll diese sich in ziemlich revovierungsbedürftigem Zustand befunden haben. Der Konzernlenker zählte sich bis zu diesem Zeitpunkt zur Leistungselite des Landes, doch sein Heim war öd und schmucklos. Und in einem ähnlichen Sinne wird der hier besprochene Duft seinem eigenen Namen auf einer höheren Ebene gerecht. Der Elite anzugehören bedeutet in diesem Sinne nämlich, straff eingebunden zu sein und mehr als alles andere Pflichterfüllung und Genussverzicht. Nicht die hedonistische Lesart des Elitenbegriffs ist hier gefragt, sondern eine nüchtern-realistische: Wer diesen "Elite" trägt, geht nicht aus, steht außerhalb der Jahreszeiten, steht jenseits von modisch Gut und Böse und ist ein Nihilist, aber - Gott bewahre - kein Dandy oder Nostalgiker.
Die gesellschaftliche Elite ist, wie so manches Nimbus-Behaftete, nur aus der Ferne so recht faszinierend. Aus der Nähe betrachtet ist da viel, viel Alltag, Beständigkeit ohne Ende und die Banalität des Establishments mit all seinen Fehlbarkeiten. Und genau das ist "Elite" von Floris: Ein solider Duft für den Alltag des pflichtbeflissenen Gentleman. Ganz schön altmodisch und damit vielleicht doch ein Kandidat für den Dandy von heute, sofern dieser Snob nicht nach Authentischerem verlangt - oder nach Exaltierterem wie der Schildkröte des Des-Essaintes. Ich meines Teils greife zu Penhaligon's Blenheim Bouquet, wenn der Dandy in mir lächelt. "Elite" ist mehr was für den durchschnittlichen Arbeitsalltag bei Kaffee, Pflichterfüllung und der Hoffnung, damit durchzukommen.
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