Conquistador 2017

LadyLuxifer
19.06.2020 - 07:34 Uhr
27
Top Rezension
9
Flakon
9
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft

Fragilität des Seins

Sofort, nach dem ersten Aufsprühen, assoziierte ich Franck Mullers Conquistador mit einem anspruchsvollen Film des Filmregisseur Darren Aronofsky, The Fountain. Der Film ist eine Ode an die Fragilität des Daseins, an die Endlichkeit eines jeden Menschen, aber nicht ohne Lichtblick und Hoffnung. The Fountain entführt uns in das Mystische und Unendliche.

Unser Dasein, strukturiert von Zeitlichkeit – und Endlichkeit, das wir bis zu einem gewissen Grad frei entwerfen können, ist definiert durch unsere Vergänglichkeit. Eben diese Erkenntnis lässt mich mit Verwunderung fragen, warum wir damit so sehr beschäftigt sind, unsere körperliche Hülle intakt zu halten, und vergessen dabei so oft, auch unseren Geist zu nähren? Wir handeln oft in unserer Körperlichkeit abseits der Vernunft und entziehen uns damit einem nachweisbar vorhandenen mystischen Resonanzraum. Die Frage lautet: Macht der Tod uns allzu sehr menschlich?

Der besagte Film knüpft drei Zeitebenen und Episoden ineinander. Einer der Helden ist der spanische Conquistador Tomas, der zu Beginn des 16. Jahrhunderts im Dschungel Mittelamerikas nach einer Opferstätte der Maya sucht. Dort hofft er den Quell ewigen Lebens zu finden. Fündig wird er in einem Maya-Heiligtum, das Harz vom Baum des Lebens macht ihn unsterblich.

Eben dieser Tomas, der Conquistador ist mein Testimonial für den Duft des Uhrenherstellers Franck Muller. In all seiner Tapferkeit und Heldentum ist Tomas einer, der die radikale Endlichkeit des menschlichen Daseins akzeptiert und trotzdem dem Leben etwas abgewinnen kann. Die Verbindung könnte nicht passender sein. Franck Muller ist der Meister der Komplikationen. The Fountain ist eine wahrlich komplizierte und verschaltete Geschichte, die permanent volle Aufmerksamkeit des Beobachters verlangt. Ich hatte während des Abspanns das Gefühl, nichts verstanden zu haben und das Bedürfnis, den Film gleich noch einmal von vorn sehen zu wollen.

Manche Parfumeure berichten vollmundig und exaltiert von den olfaktorischen Reisen in die Vergangenheit, sind jedoch in eigenem Schaffen später nicht imstande die vollmundige Ankündigungen in die Taten umzusetzen. Es glitzert und es ist teuer. Das reicht schon.

Der Parfumeurin Beverley Bayne ist es gelungen, etwas Multidimensionales zu erschaffen, das weder hektisch noch nervös ist. Beverly Bayne hat u. A. Eau Sans Pareil für Penhaligon's und sieben Düfte für Clive Christian kreiert. Sie war auch Präsidentin von British Society of Perfumers. Also, eine Frau mit Format und kein unbeschriebenes Blatt.

Franck Mullers Duft wird auf der eigenen Website als „dark and sensual“ beschrieben. Ich erlebe den Duft, dem Film ähnlich, wie eine metaphysische „Reise ins Ich“. Charles Dickens hat mal gesagt: „Ich fühle, dass Kleinigkeiten die Summe des Lebens ausmachen.“ Ebenso, ist dieser Duft eine Einheit, ein Leben, gemacht aus vielen kleinen Teilchen. Wie kein anderer Duft, diese Kreation von Beverly Bayne ist ein in sich geschlossenes Universum.

Conquistador ist weder ein Lederduft, noch ein Gourmand. Diesen Duft kann man nicht in eine Kategorie pressen. Ich kann es jedenfalls nicht. Conquistador ist so viel mehr.

Das Parfüm aus dem Haus der vielen Komplikationen startet mit dem Duft eines offenen Cognac-Eichenfasses, edel und elegant. Eine würzig-süße Note nach Wachholderbeere ist ab Beginn deutlich wahrnehmbar. Bereits das Opening ist Grund genug diesen Duft sofort zu kaufen. Dieser Duft ist unendlich verführerisch, bereits ab Beginn. Es folgen Noten von gepfefferten Früchten mit Nuancen von Tabak und Trüffel. Im weiteren Verlauf entdecke ich eine umwerfend nussige Kaffee-Note, mikrominimal erdig, die sich mit einer zarten Weihrauchnote vermischt. Einfach herrlich.

Das Beste an diesem Duft ist aber die Kraft der eigenen Sanftheit. Keine der gelisteten Noten sticht hervor, aber alle bilden eine wunderschöne und homogene Dufteinheit. Auf der Haut hält der Duft ewig bei einer angenehmen und unaufdringlichen Sillage. Leider ist der Duft ausschließlich bei Jovoy Paris zu bekommen. Alle Versuche, mit Franck Muller in der Schweiz in Kontakt zu treten blieben erfolglos. Die auf der Franck Muller Website gelisteten deutschen Distributeure führen Franck Muller definitiv nicht mehr. Bringt man aber ein bisschen Geduld auf, funktioniert es mit Jovoy Paris auch.

Conquistador sehe ich als ein echtes Juwel, dem bis heute auf Parfumo viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Menschen die auf kontroverse und polarisierende Dufte stehen, empfehle ich diesen Duft nicht. Dafür ist Conquistador einfach zu schön und zu harmonisch geraten.

Unsterblichkeit wird ein unerfüllter Wunsch des Menschen bleiben. Wenn wir aber jeden Tag ein bisschen Neues zulassen, dabei das ewig Gleiche weglassen, zeigt uns das Mystische und das Unendliche vielleicht eine Welt jenseits unserer zeitlichen und endlichen Existenz.
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