L'Heure Bleue Eau de Parfum

Holunder
03.09.2011 - 17:10 Uhr
28
Top Rezension
10
Duft

Das flüssiggewordene Glück

Im Französischen gibt es die Redewendung "nager dans la bonheur": Im Glück schwimmen. Es ist eine Wendung, an die ich sofort denken musste, als ich L'Heure Bleue aufsprühte. Woran man schon mal merkt, dass mich dieser Duft ins Schwadronieren bringt.
Wenn ich einen Duft auflege, den ich noch nicht kannte, entscheidet sich manchmal schon in den ersten Sekunden, ob ich ihn mögen werde oder nicht. Dann denke ich so Dinge wie "Oh, Rose" oder "Mmh, Veilchen" oder "Pfwäh, Alkohol."

Bei L'Heure Bleue kam meinen Gedanken die Artikulationsfähigkeit abhanden. Ich dachte nur "Oh... Oh!"
Es war ein Erlebnis, das ich so eigentlich noch nie hatte. Der Duft verschlug mir für ein Weilchen einfach die Sprache.

Das ist durchaus auch wörtlich zu verstehen, denn das Eau de Parfum ist anfangs äußerst intensiv. Aber hauptsächlich lag's doch daran, WIE das roch. So weich, so süß, nach Orangenblüten und noch viel mehr. Unbeschreiblich, und unbeschreiblich anziehend.

Wenn ich über L'Heure Bleue lese, dann lese ich oft von Melancholie, davon, dass es ein trauriger Duft sei. Für mich ist er keine Traurigkeit, im Gegenteil.
Er erinnert mich daran, wie ich das letzte Mal sehr verliebt war. Es war Frühling und ich konnte mich auf nichts konzentrieren, aber ich konnte stundenlang stillsitzen und meine Gedanken flossen um mich her, oszillierten wie dieser Duft. L'Heure Bleue ist diese Art von Glück: das einen nicht zu Luftsprüngen veranlasst, nicht aufregt, in dem man ruht wie in einer leuchtenden Wolke.

Das Bild, das Guerlain mit diesem Duft einzufangen strebte, ist die Zeit zwischen Sonnenuntergang und Einbruch der Dunkelheit, eben die "blaue Stunde", und auch das passt, wenn ich an einen Sommerabend denke, an duftende nachtblühende Pflanzen, ein kühles Lüftchen und diese wunderbare Wärme einer steinernen Bank, die einen ganzen Tag voll Sonne in sich gespeichert trägt.

Ja, wie riecht es denn nun? Ich versuch's mal:
Die Orangenblüten sind sofort präsent, dann kommt ein Stadium, in dem ich mich stark an Räucherstäbchen erinnert fühle - das Sandelholz womöglich? Im Verlauf wird der Duft wärmer und auch sehr viel hautnäher und intimer, behält sich aber auch etwas Kühles - die Iris? - und haucht auf diese Weise langsam sein Leben aus. Die Haltbarkeit ist bei mir mit an die 6 Stunden ganz okay, auch wenn ich mir nach dem gelinde gesagt kraftvollen Auftakt mehr erwartet hätte.
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