Mon Guerlain Guerlain 2017 Eau de Parfum

Verführerisch sollst du sein, die Nase des Trägers schmeichelnd, ein Duft, den man für sich selbst kauft, den man auch gerne für sich in den eigenen vier Wänden genießt. Gespannt war ich am gestrigen Tage, als ich dich aufsprühte, neugierig und wissen wollend, was ich meiner lieben Mutti da zum Geburtstag als Abfüllung in das kleine aber feine dekorative Holzkästchen lege.

Du beginnst unglaublich laut, sodass ich an der so oft mit dir in Zusammenhang gebrachten Sinnlichkeit schon früh zu zweifeln begann. Die Vanille, so schwer, süß und drückend daherkommend, stieg mir mit einer nur kurzzeitig anwesenden, dann schnell wieder verschwindenden Priese der Bergamotte in die Nase.
Naja, da war sie nun - die Eindimensionalität, deren damit verbundene Langeweile noch lange nicht das hauptsächliche Problem darstellte. Viel eher war es das schwere, schwülstig-drückende Aroma, das die Vanille versprühte. Ich fragte mich, was an derartiger Monotonität so faszinierend sein kann, dass eine Durchschnittsbewertung von 8,1 zustande kommt. Ich beschließe dennoch, Geduld aufzubringen und auf sowas wie einen Duftverlauf zu warten. Und tatsächlich geschah das, worauf ich wartete - eine Verwandlung.

Zur Vanille gesellte sich nach einiger Zeit eine saubere, pudrige Iris. Die von mir so geschätzte Duftnote vermochte es zwar nicht, die so platzhalterische Vanille vom Thron zu stoßen, aber das habe ich auch nicht erwartet. Sie erhält stattdessen einen dezent pudrigen Touch.
Die nun pudrige, vanillige Süße wird durch Jasmin ergänzt, die all dem eine Süße leicht floraler Art hinzufügt. Dennoch: Die Vanille spielt nach wie vor die tragende Rolle und das Florale bleibt eher im Hintergrund, doch ist dennoch erriechbar.

Dann später, obwohl in der Kopfnote vermerkt, stößt Lavendel hinzu. Hierbei handelt es sich um eine Duftnote, mit der ich, sofern sie überdosiert wird ... hust ... masculin Pluriel ... hust ..., meine Probleme habe. Hier aber stimmt die Dosierung und der leicht floralen, pudrigen Vanille wird ein ebenso dezent würzig-frischer Zusatz eingehaucht.

Nun fehlt aber irgendwie noch das Sandelholz, oder nicht?

Sagen wir es so: Es ist der Komposition beigemischt, aber es braucht lange - wirklich lange - um sich bemerkbar zu machen. Sein Auftritt ist der finale, der einige Stunden auf sich warten lässt.
Ich erkläre es mal vereinfacht:

Sprüht den Duft kurz vor dem Einschlafen auf, werdet viele Stunden später, also am nächsten Morgen, wach und lasst euch von einer Vanille begrüßen, die durch jenes Sandelholz wundervoll cremig daherkommt.

Ich fasse zusammen:

Guerlain hat mit diesem Duft bei mir nochmal richtig Glück gehabt, denn es gibt bestimmt nicht Wenige - Parfumos sind da eher nicht gemeint - die nicht solch eine Engelsgeduld besitzen, deren Nichtvorhandensein dann für ein zügiges Abstempeln sorgt. Ich habe dem Ganzen die nötige Zeit gegeben, konnte die Facetten des Duftes kennenlernen und ihn entsprechend einordnen. So sollte die Trägerin kalte Abende als die geeigneten Tragezeitpunkte ansehen, den Duft schon einige Stunden vor Verlassen des Hauses auftragen und dann mit seiner etwas später einsetzenden Fähigkeit zu verführen unter die Leute gehen. Oder sie beschließt, das Haus nicht zu verlassen, sich einen schönen Abend zu machen und diesen Duft nur für sich selbst zu tragen, ihn zu genießen und zu erkunden.