Myosotis Extrait de Parfum

ParfumAholic
31.01.2023 - 10:55 Uhr
47
Top Rezension
9
Preis
10
Flakon
7
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft

Berauschende Schönheit

Eigentlich wollte ich keine Rezensionen mehr schreiben. Aber wie das so ist mit „eigentlich“, wird man dann und wann einfach und unerwartet von einem Duft im positivsten Sinne überrollt, so dass die 140 Statement Zeichen einfach nicht ausreichen würden, um dem Duft gerecht zu werden.

Ich konnte bislang nur ein paar der vielen Henry Jacques Düfte testen. Gemeinsam haben sie alle, dass sie sehr fein und elegant komponiert sind. Es war bislang kein „lauter“ oder gar „schreiender“ Duft dabei.

Umso gespannter war ich nun, wie man das oft schwierige Thema „Weißblüher“ umsetzen würde. Sind gerade sie doch oft ein Garant für zu viel und schwierig zu tragen.

Aber Henry Jacques wäre nicht Henry Jacques, wenn er diese Klippe nicht mit gewohnter Eleganz umschifft hätte.

Die Tuberose ist jedenfalls von der ersten Sekunde an da. Aber nicht überbordend und erschlagend, sondern eher fein, zart, aber dennoch selbstbewusst. Ein Hauch von Mandel- / Marzipanaroma begleitet sie hierbei. Von irgendwo her kommt auch noch eine fast frische, leicht herbe Note. Mag evtl. vom Weißdorn oder der Nelke stammen, ich kann es nicht genau erkennen bzw. erklären. Auf jeden Fall bremst diese Note die Tuberose zwar nicht komplett aus, nimmt ihr aber das allzu Penetrante.

Alle anderen Blüten sind irgendwie da, aber nicht deutlich erkennbar. Es ist mehr wie ein Gefolge, das die Tuberose umgibt und dabei natürlich dem Star nicht die Show stehlen möchte.

Nach und nach durchziehen hauchfein-harzige Benzoe-Fäden die Szenerie, die zusätzlich dafür sorgen, dass die Süße der Blüten nicht auftrumpfen kann.

Puderleichter Iris-Nebel und gelb-gold schimmernde Vanille runden das Duftgeschehen ab, umfangen die Tuberose und ihr Gefolge wie ein schützender Kokon.

Und so verbleibt dieses Duft-Konglomerat für gute 12 Stunden auf meiner Haut, verschmilzt förmlich mit ihr und bildet einen unendlich weichen, zarten, feinen und wie selbstverständlich eleganten Duft-Schmelz.

Hier beißt nichts in der Nase, ebenso sticht keine der Duftnoten unangenehm heraus. Trotz der vielen Weißblüher entsteht hier auch nur eine moderate bzw. sehr geringfügige Süße, die sehr gedimmt erscheint, gerade eben so viel, wie der Duft braucht.

Ich muss gestehen, dass ich Tuberose in der Form noch nicht gerochen habe und ich bin wirklich beeindruckt, wie Duftschaffende es hinbekommen, so „schwierige“ Duftnoten derartig miteinander verschmelzen zu lassen.

Fazit: Ein gezähmter Blütentraum von erhabener Schönheit und Qualität, der eher mit subtilen Mitteln arbeitet und dadurch alles Laute wie selbstverständlich ausschließt. Ferner eilt er der Trägerin / dem Träger nicht voraus, sondern bildet eher so etwas wie eine zweite Haut. Ein Duft eher für einen selbst, der aber dennoch von der Umwelt wahrgenommen wird. Myositis wird hier zwar als Damenduft geführt (die weiblichen Aspekte sind auch nicht von der Hand zu weisen), dennoch kann ich ihn mir auch an den Herren vorstellen, da es eben keine „Tuberose-Bombe“ ist. Ich selbst jedenfalls würde ihn dann und wann mit der größten Freude tragen wollen.

Alles Schöne hat dann leider – wie so oft – auch seinen Preis (15ml Parfum / 600€, 30ml Parfum / 960€ und 75 ml Extrait de Parfum / 600€). Natürlich ist da die Frage erlaubt, ob solche Preise in die heutige Zeit passen, in der Inflation, explodierende Energiekosten und der Ukraine-Krieg unser aller Leben so verändert haben. Sicher könnte man mit dem Geld viel Gutes tun, Not und Hunger (selbst bei uns in Deutschland) lindern. Daneben gibt es Menschen, die von derlei Summen ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen. Ist es also moralisch verwerflich oder gar pervers, dann solche Summen für einen Duft zu verlangen bzw. auszugeben? Schwierig. Ein Großteil des Preises ist sicherlich den extrem hochwertigen Duftstoffen zuzuschreiben und ein weiterer Teil könnte daher rühren, die Exklusivität der Düfte zu wahren. So arrogant es klingt, soll vielleicht gar nicht die breite Masse in den Genuss der Düfte kommen. Am Marketing kann es jedenfalls nicht liegen, denn ich habe bislang den Namen Henry Jacques nirgendwo gehört (wobei ich auch nicht in den Kreisen der oberen Zehntausend verkehre, dort mag es anders sein). Auf jeden Fall ist es Fakt, dass die Luxusgüter-Branche nach wie vor und trotz allem stetig wachsende Umsätze und Gewinne verzeichnet. Und ein Bernard Arnault ist ja auch nicht von ungefähr der nunmehr reichste Mensch der Welt. Im Gegensatz zu Louis Vuitton, Prada, Chanel u.s.w. ist Henry Jacques nicht plakativ unterwegs. Eher der stille Luxus sozusagen. Und ich finde, es muss jede(r) für sich ganz persönlich entscheiden, ob es so ein Duft sein muss. Düfte vermitteln Wohlgefühl, und Behagen, vermögen zu trösten und das vielleicht ganz besonders in so „dunklen Zeiten“ wie diesen. Insofern gibt es da kein richtig oder falsch. Erlaubt ist, was gefällt und jedem Einzelnen gut tut.

Feel free to be yourself!
43 Antworten