Jagler von Hunca

Jagler 1990

ThomC
12.10.2021 - 18:09 Uhr
13
Sehr hilfreiche Rezension
9Duft 6Haltbarkeit 7Sillage 6Flakon 10Preis

Ich war noch niemals in der Türkei...

Ein Blindkauf. Bämm. Volltreffer. Und dann noch ein schräger, türkischer Cheapie von HUNCA, über dreißig Jahre alt. Genau das sind Stories, die ich mag. Aber was ist das schönste Geschichtengerüst, wenn der Duft an sich nichts taugt? Aber genau das tut er, und wie. Ein wundervoller in sich stimmiger Duft, so eine Art Fluxkompensator in die Achtziger. Dabei war ich noch nie in der Türkei, hab aber ganz tief im Inneren das Gefühl, ihn vor sehr langer Zeit immer und immer wieder gerochen zu haben. Obwohl er knapp 1990 erschien, will ich ihn stilistisch früher in den Achtzigern verorten. Aber so was von.

Der Flakon? Okay, geschenkt. Schwarz mit Goldfont, irgendwie bisserl hässlich, aber typisch für seine Zeit. Kaum Trashfaktor. Aber auf der Haut macht er eine wundervolle Figur. Nicht falsch verstehen: das hier ist kein hochkomplexer Edelduft, sondern eine Art wundervoller gutbürgerlicher Linseneintopf mit Speck und frischem selbstgemachtem Brot und gutem Käse dazu. Ein Authentiker für rund zwanzig Euro. Ein echter Charmeur also, dem Protzgehabe zuwider sind, aber Kontinuität liebt.

Auf Haut gibt er sich wunderbar durchkomponiert. Keinerlei Einzeldüfte stechen hervor, es ist eine tadellose Melange. Unkitischig, aber breitbeinig mit der Geisteshaltung der Achtziger. Der Drydown wird interessanter: er wird immer harmonischer, alle Einzelnoten scheinen sich magisch zusammenzufügen. Am ehesten lugen der Moschus mit Vanille hervor, aber beides wiederum sehr dezent. Er wirkt tatsächlich Südeuropäisch, weckt Assoziationen mit trockenen Landschaften. Hat etwas warmes. Wie ein schwül-sommerlicher Spätnachmittag am Mittelmeer. Fremde Gerüche an Mensch und Stadt. Toll.

Seine Haltbarkeit ist etwas überdurchschnittlich - ein nachsprayen nervt nie. Je länger er auf der Haut verweilt, desto eleganter erscheint er. Alles richtig gemacht, Hunca.

In der bekannten Kategorie 'Für Fans von...' ist der Jagler vergleichbar mit dem 'Sergio Soldano Black' von 1985 und mit dem Pseudo-Achtziger 'Bogart One Man Show Gold'. Offengesagt habe ich sie gerade alle drei auf der Haut. Der Jagler sticht sie weg. Noch Fragen?

Der Jagler wirkt fast sanftmütig und anders als die unzähligen Seifen-Leder-Macker aus den 70er und frühen 80ern, die ja ein bisschen nach dem Prinzip 'kennst du einen, kennst du alle' Prinzip funktionieren. Der Jagler nicht. Ein großartiger Oldschooler zum Witzepreis.
5 Antworten
AxiomaticAxiomatic vor 2 Jahren
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Ich bin begeistert vom Duft! Danke Dir!
Ich würde ihn auch tatsächlich in der ersten Hälfte der 1980er verorten.
Gerade dieser super männliche Moschus ist hier prägend.
Tolle Rezi!
MinigolfMinigolf vor 4 Jahren
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Genau DER Duft der so viel in sich birgt, das ich an etlichen Parfums vermisse. Ich nenne es quirlig- frohe Gutmütigkeit, aber bodenständig und kein Bisserl bieder! Schade für sein "Schattendasein". Der hätte mehr Aufmerksamkeit verdient. Bei "Männlein UND Weiblein"!
PonticusPonticus vor 4 Jahren
Edle Dinge mag ich gern, aber immer aus der Position der Bodenständigkeit heraus! So hat mir Dein Vergleich mit dem gutbürgerlichen Linseneintopf ausgezeichnet gefallen. Ich mag solche Düfte, fest verankert im Alltag! Tolle, mir bisher unbekannte Empfehlung!
PrimelPrimel vor 4 Jahren
Mir hat Deine Rezension gefallen. Ich war mal sehr kurz in der Türkei (Bodrum, nice). Und länger in Lloret de Mar (weniger nice). Ich hoffe der Duft kommt nicht nach diesem Ferienort ;D
4ajbukoshka4ajbukoshka vor 4 Jahren
Sehr cool! Ich freue mich für dich, aaaaaber eine Frage bleibt: was hat dein Hashtag (➡️ Lloret de Mar) mit der Türkei zu tun?