Jardenia

Alan
21.06.2014 - 11:55 Uhr
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Sehr hilfreiche Rezension

Ich dusche nur noch mit Weihwasser

Ich bin außerordentlich erleichtert, dass ich "Jardenia" in meinen eigenen vier Wänden und nicht etwa in der Boutique von JAR höchstpersönlich getestet habe. Ein Besuch dort soll übrigens ein ganz besonderes Erlebnis darstellen. Erzählungen zufolge taucht man in eine pluschige, violette Welt aus Samt ein, bestückt mit gedämpfter Beleuchtung und einem geschulten Verkäufer, der in stiller Andacht über die Glasbehälter herrscht, die jeweils ein mit Parfum getränktes Stück Stoff beinhalten. Ohne die Noten zu verraten würde er dann für mich die Glasdeckel anheben und damit das Geruchserlebnis offenbaren. Und ich, ich würde unter seinem erwartungsvollen Blick nach Worten ringen, während mir der Geruch von "Jardenia" in die Nase steigt, denn es gibt einfach keine diplomatische Art zu sagen: "Dieses Parfum riecht penetrent nach Champignons."

Da ich mich jedoch fern der heiligen Hallen befinde, kann ich es offen sagen: Ja, es riecht in der Tat nach Champignons. Pilznoten sind mir nun nicht vollkommen neu, kenne ich die Kombination von Pilzen und Blüten doch bereits aus Afteliers "Cepes and Tuberose", wo die namensgebenden Komponenten eine ungewöhnliche, aber seltsam harmonische und fesselnde Mischung ergeben. Unglücklicherweise ist "Jardenia" nicht "Cepes and Tuberose", sondern vielmehr "seit einer Woche im Kühlschrank vergessene Champignons und Gardenie". Und wer nun denkt, die Gardenie wäre etwa frischer, der irrt ganz gewaltig.

Ganz im Gegenteil, als wolle sie nicht, dass ihre pilzigen Mitbewohner darüber Komplexe entwickeln, dass ihre Kappen bereits einen schleimigen Belag aufweisen, tut sie ihr Bestes, um sich in möglichst überreifer, verwelkter Pracht zu zeigen. Das Wasser, in dem sie steht, ist längst trüb und faulig, die Blütenblätter sind braun und weich geworden. Nach etwa zwei Stunden besitzen aber immerhin die meisten Champignons endlich den Anstand, sich selbst in den Kompost zu entsorgen. (Ein paar Unbelehrbare gibt es immer.) Die Gardenie hat aber kein Einsehen, dass sie höchstens noch für den Biomüll taugt. Sie hat zwar längst das Zeitliche gesegnet, aber kein bisschen an Hartnäckigkeit verloren, und in meiner Vorstellung robbt sie sich an meinem Arm hinauf, eine Zombiegardenie, nur das sie nicht "Braaainsss!!", sondern "Nooosesss!!" ächzt, während sie immer weiter Richtung meines Gesichtes wandert. Dieses Parfum lässt Babys im Schlaf weinen, wenn man derart beduftet an ihren Bettchen vorbeigeht, so eindringlich erzählt es von Friedhöfen und Verfall. (Dislclaimer: Hierbei handelt es sich um eine rein spekulative Annahme des Schreibers. Keine Kinder kamen bei dem Test von "Jardenie" zu Schaden.)

Sie wie auch Zombies nicht besonders für ihre Entwicklung bekannt sind, zeigt sich auch unsere Gardenie nicht besonders entwicklungsfähig. Stattdessen zerfällt sie bloß in ihre Einzelteile, da mal ein Unterkiefer, hier mal ein Beinchen - Verzeihung, da ein welkes Blütenblatt, dort ein welkes Blütenblatt, und am Ende zerlegt sich "Jardenia" so weit, bis nur noch ein vage modrig-blumiger Hauch auf der Haut verbleibt, dem man schließlich mit Wasser und Seife zu Leibe rücken muss. (Am besten Weihwasser. Bloß kein Risiko eingehen.)
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