JCC No. 2 1988 Eau de Parfum

Jezebel
17.01.2017 - 11:59 Uhr
6
6
Flakon
10
Sillage
9
Haltbarkeit
1.5
Duft

Wohnungsauflösung

Ungeduldig tripple ich von einem Bein aufs andere.. kann sie kaum erwarten, meine Begegnung mit der Grand Dame. Viel wurde über sie erzählt, das Publikum entschied sich, entweder vor Ehrfucht zu wispern, gar in Ohnmcht zu fallen oder in standing ovations zu verharren. Heute wird sie mich gnädigerweise empfangen. Ich hab mich recht schick zurechtgemacht, edel aufgehübscht. Wohl wissend, dass ich der luxeriösen und gebildeten Künstlerin niemals auch nur annähernd würdig entgegentreten werden kann. Es geht los, ich werde ihr meine Aufwartung machen, der Diva. Sicherlich wird sie mir ihre beringte Hand zum Kuss entgegenhalten. Auf dem Weg zu ihr lausche ich ehrfürchtig ihrer letzten Opernaufnahme, schließe vor Genuß (fast) - ich muss ja fahren, die Augen, um mich besser auf ihre Arien konzentrieren zu können. Vor der Villa angekommen überprüfe ich nervös den Sitz meiner Haare, ziehe mir die Lippen nach. Und dann klingle ich. Stille. Ich klingle nochmal, das Personal ist im Lauf der Zeit doch nicht etwa schwerhörig geworden? Nichts. Enttäuscht und in der Hoffnung vielleicht durch einen Wink durch die Terrassentür auf meine Anwesenheit aufmerksam machen zu können, wackle ich auf meinen Pumps durch die etwas verkommene Gartenanlage. Verandatüre ist geschlossen. Die Brokatvorhänge sind zugezogen. Enttäuscht mache mich mich auf den Rückweg. Ich beschließe, doch noch einmal zu läuten und als ich versehentlich gegen die prunkvolle Türe stoße, gibt sie nach. Klopfenden Herzens trete ich ein. "Madame, Madame Perfectio" rufe ich. "Madame Perfectio, sind Sie da? Wir haben einen Termin." Nichts. Keine Antwort. Mit schlechtem Gewissen und neugierig schleiche ich mich durchs Haus, meine Schuhe hinterlassen eine Spur im Staub. Die Möbelstücke sind abgedeckt. Vorsichtig öffne ich eine Türe, die in ein ehemals wohl prachtvolles Schlafzimmer führt. Ich nehme mir ein Herz und trete ein. Madame ist nicht da. Auf dem Tisch liegen Dokumente. Ich lese einen Vertrag über die Aufnahme in ein Seniorenpflegeheim. Noch etwas steht da. Eine Kristallvase mit edlen Goldgravuren. Verblühte Rosen und matschige Nelken lassen ihre welken Köpfe hängen, vielleicht verbirgt sich auch eine tote Maus zwischen den schleimigen Stengeln im blasigen Blumenwasser. Nehme ich Ammonik wahr?. Vorsichtig stecke ich meine Nase in den Blumenfriedhof. Eine stechender Hieb direkt ins Gesicht. Ich taumele, wehre mich mit Händen und Füßen gegen ein tentakeliges Monster, das sich bösartig und hämisch in meinen Hals krallt und mir die spitzen Zähne in den Nacken jagt. Ich schreie entsetzt, japse nach Luft, wische mir Glibber aus den Augen und kämpfe mit Händen und Füßen um mein Leben. Endlich habe ich wieder die Oberhand über dieses Blumenvasengeschöpf. Ich schleudere mir die unbequemen Pumps von den Füßen und renne rutschend und schlitternd die Wendeltreppe in Richtung Ausgang. Im Auto verriegle ich die Autotüre und starre entsetzt in den Spiegel. Ich bin fahl wie gelbes Wachs, habe dunkle Augenringe. Falten überziehen mein Gesicht. Schlagartig bin ich ergraut.
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