Bal à Versailles 1962 Eau de Toilette

Serenissima
27.01.2023 - 00:12 Uhr
12
Sehr hilfreiche Rezension
8
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
8.5
Duft

ein Walzertraum

Nein, „Bal à Versailles“ schwelgt nicht in Operettenseligkeit, ist aber eine Duft-gewordene Walzerfolge für besondere Gelegenheiten.

Denn so schwungvoll schweben sie bereits dahin, die ersten Takte der Kopfnote, aufgebaut auf dem ewig gleichen, klassischen Rhythmus der „Guerlinade“:
Heitere Hesperiden erobern sofort das Parkett: Bergamotten, Mandarine und Zitrone, geschmückt mit der Zartheit von Orangenblüten und edel von Neroli umhüllt, tragen zu ihren leuchtend heiteren Farb- und Duftton-Gewändern Kränze reifen Rosen, interessant mit Rosmarinzweigen gewunden. Diese lebhafte und reiche Frische dreht sich freudig im Kreis; ein zusätzlicher Hauch von Kassia folgt feinwürzig diesen Tänzern.
Der Abend ist noch jung und so ist der Auftakt zu „Bal à Versaille“; noch schweifen während des Tanzens Blicke durch den Saal; Blicke, die nicht nur den Anwesenden gelten, auch wenn schon hier und da erste Grüße ausgetauscht werden.
Die goldene Pracht der hohen Wandspiegel, in denen sich das Licht der zahlreichen Kerzen bricht und die Pracht der opulenten Blumenbouquets in edlen Vasen, all das wird im Tanz wahrgenommen, bewundert und so entstehen Eindrücke, die sich im Laufe des Abends und des Duftverlaufs noch eindrucksvoll verdichten werden.
Denn auch die Blüten der großen reichhaltigen Arrangements erwärmen sich durch die Wärme der Kerzen und sich im Tanz wiegende Menschenkörper und so dauert es nicht lange, bis über dem noch leichteren, gleitenden Auftakt die Aromen von Rosen und Flieder, Ylang-Ylang und Maiglöckchen, Blumenengeln gleich, durch den Saal schweben, wo sie sich mit den ähnlichen Düften der jetzt doch schon leicht erhitzten Damen schwungvoll vereinen.
Ein Sinnesrauch aus reichen Tönen, Farben und Düften entwickelt sich zunehmend.
Denn Tanz und Zeit erwärmen auch die Herren in ihren Galagewändern; die ersten schweren, bereits leicht animalischen Töne von erdig-feuchtem Patchouli und Vetiver, gemischt mit maskulinem Sandelholz steigen nun doch schon intensiver von vom Tanz erwärmten Körpern wellenartig auf und vermischen sich lockend mit den bisher noch weiblich frischeren und blumigen Duftakkorden.
Mann und Frau vereinen sich nicht nur im Wiegen, Gleiten und schnellen Drehen des Walzers, sie teilen jetzt auch die Duftaromen ihrer sich erwärmten Haut.

„Alles Walzer“ heißt es zum Auftakt des Wiener Opernballs.
„Bal à Versailles“ besteht aus satten Wirbeln duftvoller Tönen, die sich ausbreiten, sich bereits im Arm halten und auch verlocken.
Die ersten Kerzen beginnen zu flackern und das Klima im Saal ändert sich: Erotik hat die Tanzfläche im golden-weißen Saal und dessen inzwischen beliebten Nischen erobert; sie lockt männlich mit rauchigen Harzen und würzigem Zedernholz, weiblich mit immer wärmer und reichhaltiger werdenden Vanillearomen.
Erhitzte Körper suchen und finden sich, immer noch im Schweben und schwungvollem Drehen, unter einer warmen, vibrierenden Decke aus Moschus, Tolubalsam und einem feingesponnenen Netz aus Amber.
Und nun ist es auch da: Das Zibetkatzentier hat seinen Weg zwischen die Tänzer gefunden und genießt deren körperliche Nähe und Wärme; setzt seine großzügigen Duftmarken.
Dieses finale Stimulans schließt den Duftkreis bei „Bal à Versailles“; eine Vielzahl unterschiedlicher und doch klassischer Duftnoten verwebt sich zu einem opulenten, sinnlichen Erleben, das ganz deutliche den Stempel seiner Zeit trägt.

Einer Zeit der großen Bälle, der sehenswerten und auch raffinierten Galaroben, die nicht nur aus einigen drapierten Stoffstreifen, aus Vorhangresten oder Glizersteinchen bestehen, einfältig angeordnet auf fast nackter zur Schau gestellter Haut.
Diese Roben hatten noch Stil, wurden kunsthandwerklich und fantasievoll dem weiblichen Körper angepasst; trotz all der Pracht war nicht zu viel und nicht zu wenig an ihnen:
Sie krönten ihre Trägerin zur „Königin des Abends“.

So ist es auch bei „Bal à Versailles“: Eine Duftkomposition, bei der jede Duftnote an ihre ganz eigene, besondere Stelle gesetzt wurde, von der aus sie sich entsprechend entfalten und so wirkungsvoll zu einem Steinchen im eindrucksvollen Duft-Mosaik werden kann.

Es ist Ende Januar und somit Hochzeit der Ballsaison; dieses Jahr gibt es sie endlich wieder!
Also, meine Damen! Businesslook, Jogginghosen und Turnschuhe gehören hinter verschlossene Schranktüren:
Dieser Abend gehört dem großen Auftritt: „Bal à Versailles“ begleitet reich, charmant und sinnlich lockend, ohne schnell müde oder langweilig zu werden; ist also der ideale Begleiter.
Auch dieser Duft freut sich über eine Auffrischung im Laufe des Abends; das muss aber nicht sein: „Bal à Versailles“ ist der duftende Partner dieses Auftritts; zunächst bei einem Glas Champagner und dann heißt es:
„Darf ich bitten?“

Lassen Sie sich nicht bitten: „Bal à Versailles“ ist schon eine Sünde wert und ist (pst! und unter uns) auch ein großartiger Schlafbegleiter: Der Stoff, aus dem Träume sind!
12 Antworten