Scent 79 Man 2012

Version von 2012
Profumo
02.12.2012 - 10:15 Uhr
21
Top Rezension
5
Flakon
2.5
Sillage
2.5
Haltbarkeit
3
Duft

Schlechte Travestie

Es ist wirklich schade, was aus diesem Duft geworden ist: einstmals ein trocken-würziges Lederchypre, das auf wunderbare Weise die strengen, klaren Linien, den Minimalismus der frühen Jil Sander olfaktorisch umsetzte und sich von seinen duftenden Kollegen solcherart absetzte, dass es eben nicht die Süße und animalische Durchdringung bis zur Schmerzgrenze ausreizte (siehe „Jules“ oder „Kouros“), sondern nüchtern blieb, ernsthaft und gemessen – eben ganz der Mode seiner Schöpferin verpflichtet.
Dann, nachdem es Ende der neunziger Jahre im Zeitalter aquatischer Duftexzesse sang- und klanglos verschwand, kehrte es auf wundersame Weise einige Jahre später als Sonderedition, unter neuem Namen und in leicht veränderter Gestalt zurück (Mark Buxton zeichnete damals für „Scent 79 Man“ verantwortlich), nur um kurz darauf wieder zu verschwinden.
Nun also, nach wiederum einigen Jahren, das zweite Comeback, erneut unter dem Namen „Scent 79 Man“ und mit dem Hinweis versehen, dass es sich angeblich um den Originalduft „Man Pure“ im neuen Look handeln solle.
Doch was einem heute duftenderweise entgegenweht, ist bei weitem nicht mehr die halbwegs gelungene Wiederbelebung durch Mark Buxton, und erst recht nicht die ursprüngliche Fassung, von der dieser neue Duft meilenweit entfernt ist.

Das ist – wie gesagt – wirklich sehr schade, denn es hätte, glaube ich, zwar einiger Anstrengungen bedurft um den alten Duft dem neuen Regelwerk der „International Fragrance Association“, kurz IFRA, anzupassen, doch die Mühe hätte sich auf jeden Fall gelohnt, handelte es sich bei dem alten „Man Pure“ doch um einen anerkanntermaßen äußerst gelungenen Vertreter seiner Zeit, bzw. deren beliebtester Duftgattung, den Lederchypres.

Aber gut, Mühe kostet Geld, und solches war offensichtlich nicht ausreichend vorhanden, sodass nun ein Duft die Nachfolge des legendären „Man Pure“ antritt, der diesem in nicht einer einzigen Hinsicht gewachsen ist, und den man eigentlich unverzüglich wieder vom Markt nehmen sollte, sosehr beschädigt er das Erbe.

Dieser neue Duft ist schlichtweg eine Zumutung, und das sage ich nicht nur weil ich das Original sehr geschätzt habe und auch Mark Buxtons Interpretation etwas abgewinnen konnte. Nein, dieses neue „Scent 79 Man“ ist ein ausgesprochen schlecht gemachter Duft: eine unerträgliche Plastiknote zu Beginn, die zwar glücklicherweise ziemlich schnell wieder verschwindet, aber hier absolut nichts zu suchen hat; dann eine Ahnung des alten Duftes, allerdings derart heruntergedimmt, dass man die eigene Nase schon sehr nah an die beduftete Stelle führen und zugleich tief inhalieren muss um diese zu erkennen. Als hätte man einen Weichzeichner über all die klaren Linien und die strenge Geometrie des Originals gelegt - so wirkt dieses schwiemelige Gebräu, dass obendrein fast keine Sillage entwickelt und auch keine nennenswerte Hatlbarkeit.
Die von Mark Buxton eingeführte Angelika-Note wurde zwar wieder entfernt (was diejenigen freuen dürfte, die schon immer der Ansicht waren, dass diese Fehl am Platze sei) und stattdessen einiges an Eichenmoos-Substituten untergebracht, aber das macht den Duft nicht wirklich originaler, weil der ganze einstmals stattliche Rest – das würzige Herz und die holzig-ledrige Basis – eine derart schludrige Behandlung erfuhren, dass nicht nur sämtliche Pracht perdu ist, sondern der Duft überhaupt keine Entwicklung mehr offenbart. Das Wenige was von ihm übrig geblieben ist verblasst einfach, und das war´s.

Wenn man wenigstens den alten Flakon beibehalten hätte – er passte doch so gut zu den Proportionen des Duftes, wie zum Werk von Frau Sander! Aber nein, auch dieser ist Geschichte.

Vielleicht ist es auch besser so: ein großartiger Duft ist samt seinem adäquaten Flakon in die ewigen Jagdgründe der Parfum-Großtaten eingegangen und was uns heute stattdessen angeboten wird, trägt weder dessen Name, noch erscheint es in der vertrauten Gestalt. Ärger und Enttäuschung wären meinerseits vermutlich größer, maßte sich dieses Werk auch noch Titel und Gewand des Originals an.

So aber erleben wir eine Travestie-Nummer die weder lustig, noch sonst wie unterhaltend ist.
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