Boris Becker 2007 Eau de Parfum

Monsieur
17.06.2011 - 08:51 Uhr
54
Top Rezension

Fritz Haber meets Bobbele oder Unfall im Chemielabor: das kam bei LR hier vor

Nun kommen wir zum vorerst letzten Teil der LR-Reihe (mir reicht's auch langsam bzw. meine Nase hat schon gedroht, eine Gewerkschaft zu gründen und mich gehörig wegen der innasalen Arbeitsbedingungen zu verklagen):
last but not least – Boris Becker

Aber beginnen wir an einem ganz anderen Ende des Erzählstranges...

Ich möchte gerne mit etwas Geschichte einleiten, wobei auch hierfür etwas ausgeholt werden muss (der geneigte Leser möge dies bitte nachsehen):
Als zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Europäer nach etlichen Jahrzehnten Frieden (jedenfalls auf eigenem Kontinent im Verhältnis zueinander) etwas übermütig wurden und 1914 freudestrahlend in die Züge stiegen, um endlich mal wieder richtig Mann sein zu dürfen, da wusste noch niemand so richtig, was einen erwarten würde. So dachte man sich zur ersten Kriegsweihnacht (man ging ja davon aus, dass der Spaß nicht so lange dauern würde und bald wieder Ruhe einkehrt) noch, man könnte doch ein kleines Päuschen einlegen und mit den Jungs von der anderen Seite ein wenig feiern. Diese Idee fanden dann die jeweiligen obersten Heeresleitungen hinterher nicht so prima und beschlossen, lieber etwas mehr Propaganda zu machen, um die jeweiligen Kontrahenten im Schützengraben mehr zu motivieren. Auf einmal bezichtigten sich deutsche und französische Ethnologen gegenseitig, vom Neandertaler abzustammen, man fand heraus, dass man immer schon neben der Erbschuld einen Erbfeind hatte usw.
Statt der bisherigen Weihnachtsgeschenke gab es künftig etwas ganz neues: man bewarf sich gegenseitig mit Spezialparfumtestern, damit der andere Bunker wenig angenehm roch. Masterparfumier auf deutscher Seite, die sich zuerst diesen Streich ausdachte, war Fritz Haber, jüdischstämmiger (sic!) Chemiker und aufgrund seiner tollen Kreationen bald trotz seiner Herkunft (auch im Kaiserreich war es Juden nicht einfach so möglich, Offizier zu werden) in der Armee emporstieg (er wurde als reiner Forscher immerhin Hauptmann).
Die Kreationen umfassten Phosgen, Chlorgas, hinterher auch noch Senfgas und die Franzosen ließen sich natürlich nicht lange lumpen und haben sich artig mit eigenen Neuerungen bedankt...
Nach dem Ende des Krieges wollte man Haber zuerst wegen Kriegsverbrechen anklagen, satt dessen erhielt aber dann doch den Nobelpreis.

So viel zum Prolog.
Nun zu Boris Becker:
Bobbele war viele Jahre lang der Sportliebling der Nation. Sein erster Wimbledonerfolg ist unvergessen, man litt mit seinen Verletzungen mit und hoffte immer wieder, dass er auf Rasen noch einmal großartiges vollbringen könne.
Mittlerweile ist er eher durch seine verunglückten Frauengeschichten, Scheidungen, Besenkammer, Zickenterror mit der Ex und deren neuen Oberholzkopf und anderen Peinlichkeiten in den Medien. Der große Spieler und Kämpfer zeigte sich immer wieder als weniger großer Denker, der weder viel Plan noch Fingerspitzengefühl für die eigene Lebensführung innehat.
Er macht nun Werbung fürs Pokern und entspricht doch dem Typus des Möchtegern-auch-mal-cool-mit-Pokerspielers, den die Profis, die davon leben (kenne einige von der Sorte, die nach dem Studium nur noch Pokern und nicht wissen, wohin mit dem Geld), langfristig um sein Geld bringen...
Eine seiner Glanzleistungen war (oder war das wieder mangelhaftes Management im Hintergrund, das auch schon dafür verantwortlich war, dass der arme Kerl unwissend wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde), sich im Jahr 2007 dafür zu entscheiden, ein Parfum auf den Markt bringen zu lassen.
Wie sollte man das gestalten?!
Vielleicht muss man sich mal vergegenwärtigen, wie es im Hause Becker zu jener Zeit aussah:
er hatte gerade viele Kurzzeitbeziehungen hinter sich und wollte wohl mal ein bisschen Pause machen; da dachte man sich bei LR, es wäre doch eine gute Idee, etwas zu kreieren, mit dem man weitere stressige Kandidatinnen abschrecken könnte. Becker war sofort begeistert und stimmt zu.
Nun mussten nur noch die offiziellen Duftnoten gefunden werden: das Ding wurde letztlich eine Art Gucci Guilty-Klon (obwohl das erst Jahre später rauskam), ob es damals schon sowas in der Richtung gab weiß ich nicht (eigentlich wird ja jeder Duft abgekupfert)...
Nur dass er sich im Unterschied zu Guilty (siehe dortige Rezension) nicht zum Rasenmähen eignen dürfe, weil man ja erstens als BB nicht mehr Rasen mähen muss und zweitens auch da die bösen Samenräuberinnen abschrecken können muss. Ich hab es schon verraten: man sollte BB nicht einmal zum Rasenmähen tragen, weil die Gefahr sonst zu groß wäre, sich panikartig absichtlich die Hände abzumähen...
LR hatte nämlich den genialen Einfall, wie man kostengünstig den Duft herstellen könnte – bei einer Versteigerung von alten IG Farben-Beständen konnte man günstig rare Restmengen von Habers Forschungen aus der Weltkriegszeit erwerben. Nun musste man nur noch das billige Lavendeldingsbums zum zitrischen Chemiedreck und Pseudoholz kippen, kräftig umrühren und mit Habers Erbe aufpimpen: fertig war die Kreation, auf die auch Frankenstein nicht Stolz gewesen wäre.
Becker selbst trug diesen Duft übrigens ein Jahr regelmäßig und erst als er einmal aus Versehen ohne aus dem Haus ging, blieb ihm die olle Sandy hängen und das Schicksal nahm seitdem wieder seinen Lauf...
Ich werde ihn nie wieder tragen, schon kurz nach dem Aufsprühen bekommt man Kopfschmerzen, es wird einem schwindlig, die Augen tränen, das ganze stinkt dabei widerlich und man möchte es einfach nur abwaschen – leider hatte ich grade kein Speick Preshave (Tipp von Apicius) da und musste es sonstwie probieren, was aber nicht so toll gelang, sodass der Mist bis zum nächsten Tag anhielt... :-/
Ich weiß ja jetzt, was mich erwartet ;-)
Die Bewertung von 3 % bei 3 Bewertungen (einer hatte wohl seinen sozialen Tag) spricht wohl für sich...
42 Antworten