Serge noire 2008

Monsieur
24.09.2011 - 20:04 Uhr
48
Top Rezension
7.5
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
7
Duft

Ein Duft für besondere Fälle

Nachdem ich nun seit 100 Tagen keinen Kommentar mehr geschrieben und die Ferien mehr für Wein, Wien und Gesang genutzt habe, muss halt mal am Wochenende einer geschrieben werden.

Stellen wir uns folgende knifflige Situation vor:
Ein hartgesottener Junggeselle Anfang 30, in seinen besten Jahren, muss sich immer wieder der Versuche erwehren, verkuppelt zu werden – viel zu viele Leute in seinem gigantischen Bekanntenkreis meinen es nur allzu gut mit ihm...
Jetzt hat es ihn wieder mal erwischt: eine kaum mehr ausweichbare Verabredung wurde in Abwesenheit vereinbart, sei es durch eine Tante, die eine ganz nette Arbeitskollegin kennt, die ja ach so gut zu einem passen könnte oder ne Freundin der Mutter, die man selbst gut kennt, hat eine super sympathische Bekanntschaft beim Pendeln im Zug, die einem anempfohlen werden soll...
Nun gut: jedenfalls gibt es nun diesen Termin zum Kaffeetrinken am frühen Samstagabend und nach allem, was man so über die Gute gehört hat, wird das sowieso nichts: Vegetarierin, militante Tierschützerin, buddhistisch-taoistisch-spirituell angehaucht, so viel Sinn für unanständigen Humor wie Mr. Higgins (Magnum), und von der Einstellung her nicht einmal für Spaß beim Sex IN der Ehe (vorher üben geht eh nicht) – halt irgendwie total nett und total langweilig..
Gut, das ist an und für sich ja kein Problem; zwar fällt das sich-wie-ein-Pavian-aufführen als Option aus, weil man erstens das ja doch nette Mädel nicht kränken will und außerdem die vermittelnde Bekanntschaft nicht bloß stellen möchte – aber genau für diesen Fall hab ich ja meine Geheimwaffen: ein bisschen Essig erwärmen und so lange inhalieren, bis einem die Nasenhaare weggeätzt sind und man wegen der Essigsäure stundenlang sicherlich nichts mehr riechen kann; anschließend die Superwaffe aus dem Tresor nehmen und sich ordentlich mit Boris Becker eindieseln und ab geht’s zum Date; da dann richtig nett und freundlich sein und sich wundern, warum die junge Dame so schnell wieder plötzlich dringend heim muss. Da man ihr zu Beginn erzählt, dass man zur Zeit in nem Chemielabor arbeitet (Praktikum, Nebenfach Chemie, k.A.) kann sie es einem auch nicht übel nehmen und wird der so besorgten vermittelnden gemeinsam bekannten Person keine unschönen Dinge erzählen; man war ja artig und alles, aber leider sprang der Funke halt nicht über...
So weit, so einfach. Nur passiert nun folgendes: kurz vor dem Pflichttermin und der Prozedur mit dem Essig usw. hat man mal eine richtig interessante junge Dame kennen gelernt und die hat leider auch nur an diesem Samstag am späteren Abend Zeit.
Da das erste Date des Abends sicherlich nicht länger als eine Pflichtstunde dauern wird (Getränke bestellen, trinken, Anstandskonversation, warten bis endlich der Kellner kommt zum Zahlen), kann man locker das zweite hinterher legen nur: mit Bobbele auf der verätzten Haut kann man sich bei diesem Treffen sicherlich nicht sehen lassen; abwaschen und nen Flachlegduft aufsprühen geht auch nicht, weil man Bobbele wie im richtigen Leben als Fernsehomnipräsenzfigur nicht mehr los wird – also was tun?!
Wir haben die Lösung für diese sehr speziellen Fälle – es ist Serge Noir!
Und das funktioniert wie folgt:
Man dieselt sich ordentlich mit SN ein, der riecht zu Beginn die ersten 3 Stunden so richtig fies nach Ammoniak = Schweinestall bei mir; dem ersten Date sagen wir, wir arbeiten gerade auf dem Bauernhof (Ihr wisst schon: Praktikum, Erlebnispädagogik mit der Klasse aufm Bauernhof etc.), nach einer Stunde ist die Pflicht erfüllt und es kann die Kür folgen; wählt man den Termin nämlich richtig und timed es so, dass man eben erst nach ca. 2,5-3,5 Stunden das zweite Date hat, dann nämlich riecht er ganz gut, würzig und kann schon ein Panty-dropper sein. Das wichtige Date läuft richtig gut, hinterher geht der Post dermaßen ab durch der Decke, dass sich die Nachbarn über ihrer Wohnung schon durch Poltern an selbige (respektive Boden) bemerkbar machen, bis zum Frühstück bleibt man ebenfalls noch und erst dann macht man sich mal auf die Socken zu den Socken und dann heim – die ganze Zeit über hat man aber immer noch den deutlich wahrnehmbaren angenehmen würzigen Duft, der einen unterstützt...
Das Leben ist leider recht kompliziert und nicht oft kann man diesen Duft in geschilderter Situation einsetzen, weshalb es auch schwer fällt, den allgemein bzw. für den Alltag zu bewerten; zuerst fand ich ihn schrecklich, dann hab ich mehrfach die Schweinestallphase ausgesessen und der Beginn wurde auch durch Gewöhnung erträglicher. Er ist sicherlich ein Kunstwerk für sich, schwierig, nicht jedermanns Fall, kaum universell tragbar, aber eben doch interessant und ein Charakter, der seinesgleichen sucht, provoziert, polarisiert. Er hinterlässt ebenso wie Kouros etc. bei mir diese seltsame Mischung aus Abneigung und Faszination; Kaufabsichten habe ich aber momentan sicherlich nicht...
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