Encre Noire Sport 2013

Radian
05.03.2023 - 15:58 Uhr
10
9
Preis
9
Flakon
6
Sillage
6
Haltbarkeit
7.5
Duft

Verlaufen

Irgendwann musste ich mir eingestehen, dass ich mich verlaufen hatte. Die Landschaft sah aber auch zugegebenermassen überall gleich aus: Ein dünner Weg zwischen graugrünem Unterholz, Wurzelwerk und dunklem schlickig-öligen schwarzen Wasser. Ich weiss nicht mehr wie lange ich ihn schon gegangen war. Sumpf, Holz, Wurzelwerk, graugrüne Gräser, Wasserlachen. Es war alles zu monoton gewesen. Vielleicht bin ich die ganze Zeit im Kreis gelaufen, vielleicht hatte mich diese seltsam anmutende Landschaft auch hypnotisiert. Ich wusste es nicht mehr. Die einzige Veränderung war der Himmel. Mit der Zeit war der graue Morgen zu einem Vormittag geworden und die Nebelschwaden waren aufgerissen. Die Sonne war da, aber immer noch verblasst und hinter einem dünn gewordenen hellgrauen Schleier.

Nach ein paar weiteren Minuten auf dem Weg hörte ich Geräusche, irgendwas zwischen Hacken und Graben. Immer wieder das Ächzen einer wohl älteren Stimme. Eine Gestalt stand gebückt im Sumpf, ein paar Meter neben dem Weg. Ich näherte mich den Geräuschen und dann sah ich ihn. Barfuss, knietief im schwarzen Sumpfwasser stehend. Ich sprach ihn an. Er richtete sich auf und drehte sich zu mir, einen kurzen Handspaten in der einen, ein Büschel Vetivergras in der anderen Hand. Weisst du, wie ich von hier zum Meer komme? Unter der Krempe seines Schlapphutes kam ein faltiges, sonnengegerbtes Gesicht mit braunen Augen zum Vorschein. Er musterte mich, während er seinen langen weissen Bart strich… und dann fing er an, zu erzählen. Geh den Weg weiter, nach Westen. Nach einiger Zeit kommst du an einem alten, fauligen Orangenbaum vorbei, neben einem Haufen Flintsteine - verbleib dort aber nicht. Du wirst dort nie allein sein. Geh weiter, Geh am Ende des Holzauns nach links, direkt in den Sumpf. Nach so einer Viertelmeile kommt es dann. Kein Ort, an dem viele vorbei kommen, aber eine Sandbank mit einer rauhen Brise und vergilbtem Treibholz, der Boden dort ist trocken und du wirst direkt am Wasser sein. Es ist nicht für jeden, aber es ist ein schöner Ort. Manchmal bin ich auch selbst dort, wenn ich die Ruhe suche, um nachzudenken zu können.

Dann sah ich den Stapel neben ihm. Ich wusste nicht, wie ich ihn bis jetzt übersehen haben konnte. Was willst du überhaupt mit soviel Vetiver, frug ich ihn. Er fing an zu grinsen und zuckte dabei wortlos mit den Schultern.
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