Oriental Lumpur

Ripieno
22.01.2011 - 16:44 Uhr
17
Top Rezension
10
Haltbarkeit
8
Duft

Exotischer Schlamm?

Ein Curry ist in der indischen Küche ein traditionelles Gericht, das man am besten als stark gewürzten Gemüse-Eintopf mit Soße beschreibt. Seine Heimat ist Südindien. Wer sich das dort leisten kann und nicht durch seine Kastenzugehörigkeit daran gehindert wird, mag auch Fleisch oder Fisch zugeben.

Was wir im Westen als Curry kennen, ist dagegen eine Gewürzmischung, deren Bezeichnung 'Indisches Currypulver' ein wenig in die Irre führt, denn indische Hausfrauen oder Köche verwenden es weder, noch verbinden sie damit die Bezeichnung Curry. Vielmehr sah sich die Armee der Besatzungsmacht in der Kolonie Britisch-Indien gezwungen, ihren einheimischen Hilfssoldaten ein solches fertig gemischtes Pulver zur Verfügung zu stellen, das geschmacklich an ein Garam Masala oder Ähnliches erinnerte. Die Briten brachten es mit auf die Insel, und so verbreitete es sich dann auch in Europa.

Die Hauptbestandteile von (deutschem) Currypulver sind Kreuzkümmel (Cumin, Samen), Bockshornklee (Fenugreek, Samen), Gelbwurz (Curcuma, Wurzelstock) und Chillischoten. Daneben können z.B. Ingwer, Fenchel, Sellerie, Nelken, Muskat und Salz zugesetzt sein.

'Curry', genauer 'Kari', hat aber in Indien noch eine weitere Bedeutung: Dort wächst der Kari-Baum. Seine Blätter, die Kari-Blätter, werden frisch gepfückt als Gewürz für eine Vielzahl von Speisen verwendet, darunter Reis, Frischkäse, Hülsenfrüchte sowie Gemüse- und Fleischgerichte. In Deutschland, wo sie als Curry-Blätter bezeichnet werden, habe ich sie bisher nur getrocknet gefunden. Ihren Geruch und Geschmack haben sie aber durch das Trocknen längst verloren, und daher wäre es sinnlos, sie als Zutat für Currypulver zu verwenden.

Es wird bei uns jedoch auch ein durch Destillation aus den Blättern gewonnenes Curryblätteröl angeboten. Sein Duft ist frisch, grün, aromatisch, krautig und pfeffrig und hat einen moschusartigen Unterton. Dieses ätherische Öl oder das entsprechende Absolue könnte in Oriental Lumpur verwendet worden sein, während Currypulver als Ausgangsmaterial der Duftstoffproduktion bisher wohl kaum in Erscheinung getreten ist.

'Lumpur' wird im Netz gewöhnlich mit 'Schlamm' übersetzt, aber diesem hinreißenden Duft aus der Welt der Meerjungfrauen (Les Néréides) würde damit Unrecht getan. 'Orientalische Mischung' wäre vielleicht treffender. Daß OL ein charmanter Orientale ist, steht außer Zweifel. Geht man von den beworbenen Duftnoten aus, so gehört OL einerseits durch den Sandelholz-Patchouli-Vanille-Akkord zu den Ambrierten Orientalen (Jicky, Emeraude, Habanita, Shalimar, Vol de Nuit, Joop!, Samsara), gleichzeitig durch Safran, Curryblätter und Muskat aber auch zu den Würzigen ('Spicy Orientals' wie Youth Dew, Opium, Cinnabar, Coco oder Jungle Elephant).

Man darf aus den genannten Beispielen aber nicht schließen, daß OL ein reiner oder typischer Damenduft wäre. Vielmehr handelt es sich tatsächlich um ein auch für Männer geeignetes unisex-Produkt. Dafür sorgen nämlich die exotischen Gewürze, die in dieser Kombination vermutlich einmalig sind: der feinherbe Safran, der ebenfalls männliche Muskat und vor allem die Curryblätter mit ihrer krautig-grünen Frische. Zusammen bilden sie das Gegengewicht zum ambratischen Akkord, und die ausgewogene Doppelstruktur führt zu einem hervorragend verblendeten, nahezu monolithischen Ergebnis.

Wie immer hängt das Gleichgewicht der kontrastierenden Einzelnoten natürlich von der jeweiligen Hautchemie ab. Bei mir hat OL nicht die vanillige Süße, auf die ich immer wieder ablehnend reagiere, und es ist das erste und bisher einzige gewürzbetonte Parfüm, das ich selbst gerne trage. Trotzdem kann ich, wenn ich mir die Kommentare vergegenwärtige, in denen Frauen über Männerdüfte schreiben, mir gut vorstellen, daß viele Frauen es schätzen würden, wenn ihr Liebster Oriental Lumpur trägt.
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