Schahram
20.03.2018 - 12:03 Uhr
46
Top Rezension
10
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
10
Duft

Normaler Weise oder was Grand Soir mit persischen Bestattungsbräuchen zu tun hat

Eigentlich frage ich immer. Nur diesmal nicht.
Doch der Reihe nach. Vor zwei Wochen schwirrte mir eine feine Probe von Grand Soir ins Haus ( danke, liebe Guufy ) und traf mich mitten ins Harz, äh ins Herz. Ich hatte ein fast spirituelles Erlebnis, war umarmt, geborgen, gewärmt und ganz bei mir, ruhig, eins mit der Welt. Vor meinem inneren Auge hatte ich das Bild eines stürmisch-verregneten Novembertags, an dem man durchgefroren nach Hause kommt und sich mit einem heißen Kakao und der dicksten Decke, die sich finden läßt auf die Couch zum kuscheln verzieht. Der mir bislang für solche Abende fehlende Duft war mir ganz unverhofft ins Haus geschneit. Der Frühling steht zwar vor der Tür, aber was solls ? Ihr kennt das ja, wenn es ein Duft unbedingt sein MUSS, biegt man sich die Realität etwas zurecht - so à la Pippi Langstrumpf. Und man sucht sich einen Grund, aus dem man jetzt dringend gut 100 Euro ausgeben muss. Mein Grund war Nouruz. Das wäre doch ein toller Anlass, so eine Duftmajestät einzuweihen.
Nouruz ist das heute - an Frühlingsanfang - stattfindende persische Neujahrsfest, das ich durch meinen vor 35 Jahren aus dem Iran eingewanderten Mann kennenlernte. Ein Tag, der den Iranern so wichtig ist wie uns Weihnachten. Wochenlang bereitet man sich vor, sät Gras in kleine Schälchen aus, damit zum Fest frisches Grün als Symbol des Frühlings, des neu aufbrechenden Lebens im Haus ist. Man besucht die Familie, feiert, tafelt, lacht gemeinsam. Die Kinder werden beschenkt, die Exil-Iraner fliegen nach Hause ( so sie denn können ) oder telefonieren nach Hause. Das an diesem und an den nächsten Tagen regelmäßig zusammenbrechende iranische Telefonnetz gehört genauso zu Nouruz wie der Brauch, das junge Grün am 30. März in ein fließendes Gewässer zu werfen, es beim Davonschwimmen zu beobachten und sich dabei etwas zu wünschen - wieder im Kreis der Familie bei einem opulenten Picknick, dem ersten nach dem auch im Nordiran eisigen und schneereichen Winter. Die Iraner nehmen es mit dem genauen Zeitpunkt des Frühlingsbeginns außerordentlich ernst, man gratuliert sich zum Neuen Jahr auf die Sekunde genau, wie bei uns an Silvester. Heute kommt der Frühling um 17 Uhr 15 und 28 Sekunden. Normaler Weise sitzen mein Mann und ich schon in den Stunden davor gemütlich beisammen. Normaler Weise.

Normaler Weise lasse ich meinen Mann schnuppern, bevor ich mir einen Duft, den ich überwiegend zu Hause tragen möchte, zulege. Wegen des häuslichen Friedens und so. Nicht daß Ihr denkt, ich müsse mich unterwerfen oder die Bedingungen des Zusammenlebens täglich neu aushandeln. Das würde bei mir keine 24 Stunden gut gehen, von inzwischen 24 Jahren gar nicht zu reden. Nein, wir leben friedlich miteinander, mögen Harmonie und sind beide bemüht, den anderen nicht mehr als nötig zu ärgern, aufzuregen oder ihm Unzumutbares zuzumuten. Nach Ausbruch meiner Duftbegeisterung ist es gelegentlich vorgekommen, daß mein Mann in oben beschriebener Couch-Situation diskret etwas von mir wegrutschte und bei Nachfrage meinte, mein Duft des Tages wäre suboptimal. Seitdem lasse ich ihn vor Neuanschaffungen lieber kurz einmal drüberriechen. Es kommt gelegentlich vor, daß er die Nase rümpft, verbale Unmutsäußerungen hat es bislang nicht gegeben. Dafür sind ihm Düfte einfach nicht wichtig genug. Und, wie gesagt, wir sind nett miteinander. Bei "Grand Soir" habe ich schlichtweg vergessen, ihn schnüffeln zu lassen, so verzückt war ich. Schwebte quasi in anderen Sphären.

Vor 2 Stunden kam die Post. Was für ein Gefühl, den Flakon in den Händen zu halten, den unvergleichlichen Duft aufzusprühen. Vor Glück fast bebend begebe ich mich zu meinem Mann, möchte ihm auch einen Hauch des olfaktorischen Kunstwerkes zukommen lassen und wißt Ihr, was er mit einer Mine absoluter Abscheu sagte ? "Und das an Nouruz !". Das saß ...
Heute muß mein Mann vor dem Jahreswechsel noch einen kleinen Spaziergang machen. Das erste Mal, seit wir uns kennen. Bevor er ging, hat er noch gesagt : "DAMIT wäscht man im Iran Leichen". Und tatsächlich, Wikipedia enthüllt zum Thema Benzoe "In der römisch-katholischen Kirche ist das Harz ein Bestandteil des Balsamöls. Dieses Öl wird bei der Spendung des Sakraments der Krankensalbung (früher auch „Letzte Ölung“ genannt) eingesetzt." Aha. Also nicht nur im Iran. Ich hoffe, daß die Marketing-Leute von Herrn Kurkdjian das wissen, bevor sie den Duft im Iran vermarkten. Ich muß jetzt mal Schluss machen und meine Handgelenke schrubben. Und den Duft in den Souk stellen.
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