Les confidentiels

Red Tobacco 2017

Tomalisman
28.06.2022 - 03:57 Uhr
19
9
Preis
8
Flakon
9
Sillage
9
Haltbarkeit
9.5
Duft

Szenen einer Bar während des 2. WELTKRIEGS

Paris im November 1942. Ein böiger Wind peitscht den Nieselregen durch die schmalen Gassen des 4. Arondissement, feuchtes Laub sowie allerlei Unrat sammelt sich zwischen den Pflastersteinen, große Pfützen haben sich in den Niederungen der Straßen gebildet. Es ist abends, es ist bereits seit Stunden dunkel, kaum Passanten zu erblicken, irgendwo klappert ein alter Fensterladen im Wind. Die Fenster der etwas heruntergekommenen Häuser entlang der Rue Gambetta sind verdunkelt, entweder mit altertümlichen Rolläden oder mit Sperrholzplatten.

Lediglich an der Ecke Rue Gambetta, Place de Ambroise fällt gedämpfter Lichtschein aus unzureichend abgedunkelten Fenstern, Stimmen sowie die sentimentale Musik französischer Chanson sind mehr zu erahnen als tatsächlich zu vernehmen. Ein altes Fahrrad lehnt an einer Mauer. Lichtreflexe spiegeln sich auf dem nassen Pflaster vor der Bar "Le Tréffle Rouge", denn um diese handelt es sich hierbei. Trotz der um 18.30 Uhr begonnenen Sperrstunde für den Großraum Paris, ist diese sowohl von Einheimischen als auch von den deutschen Besatzern recht beliebte Bar, mit Sondererlaubnis des deutschen Stadtkommandanten geöffnet. Im großen Saal im hinteren Bereich, ursprünglich für Feierlichkeiten aller Art, Jubiläen, Beerdigungen vorgesehen, feiern Angehörige der Wehrmacht des nahe gelegenen Wehrwirtschaftshauptamtes West die Beförderung eines ihrer Kameraden. Es geht hoch her, Vin de Table, Cognac und andere geistige Getränke aus Beständen eben diesen Amtes tun ihr Bestes die Stimmung anzuheizen, die Zungen zu locken so dass vereinzelt Versuche festzustellen sind populäre Lieder anzustimmen.

Der vordere, eigentliche, Barraum ist dunkel, ja etwas düster gehalten. Schwache Glühbirnen beleuchten die Lokalität nur unzureichend. Auf den wenigen Tischen und am Bartresen brennen Kerzen und sorgen für eine beklemmende Atmoshäre. Neben dem Tresen kämpft ein Holzofen vergeblich gegen die klamme, dumpfe Feuchte des Raumes an. Lediglich hinter der Bar, wo sich der Wirt mit Schnauzbart und speckiger Schürze, eine maisgelbe, erloschene Gaulloise im Mundwinkel, behäbig zu schaffen macht, ist die Beleuchtung besser. Dort befindet sich auch der Phonograph, der sentimentale Chansons und bekannte französische Melodien knisternd von sich gibt. Wenige Gäste beherbergt das "Le Tréffle Rouge", an einem runden Tisch sitzen drei ältere Männer beim stummen Kartenspiel, an der Bar wartet ein junges Mädchen von gegenüber auf die Abfüllung des Weines für ihren Vater. Am Tresen schläft ein Mann mit Baskenmütze, den Kopf und Arme auf den Tresen gebettet, dabeben ein voller noch qualmender Aschenbecher sowie ein zu dreiviertel geleertes Glas Vin Rouge d'Herault. Es ist unangenehm kalt, der Wind pfeift durch einige Öffnungen in Tür- und Fensterrahmen, eine unangenehme Nässe geht von dem Steinboden, welcher mit zahlreichen Zigarettenkippen und anderem Unrat bedeckt ist, aus. Es riecht nach Rauch, viel Rauch, nach filterlosem schwarzen Tabak, nach verschüttetem Wein und den Ausdünstungen der abwesenden Personen. Vom Nebenzimmer hört man das Gegröhle und den weinseligen Gesang der angetrunkenen deutschen Besatzer.

Da klopft es in einem bestimmten Rhytmus an den Verdunklungsrolladen. Der Wirt unterbricht seine Tätigkeit und öffnet die Tür. Neben einem Schwall frischer, regenfeuchter Luft betritt ein jüngerer Mann im feuchtglänzenden Ledermantel, Hut und Taschenlampe das Lokal, grüßt kurz die Anwesenden, und begibt sich an den Tresen. Der Wirt stellt ihm wortlos einen Petit Rouge hin, gibt dem Neuankömmling Feuer für seine Cigarette und reicht dem Fremden verdeckt eine dünne Mappe mit Papieren, welcher dieser in den Tiefen seines Ledermantels umsichtig verstaut. Die Männer beim Kartenspiel schauen kurz auf, um dann in ihrem Spiel fortzufahren. Der Mann am Tresen leert das Glas in einem Zug, wirft die angerauchte Zigarette achtlos auf den Boden und verlässt die Bar, den Hauch eines erlesenen, maskulinen Parfum zurücklassend...

Red Tobacco von Mancera verbinde ich mit Aufenthalten in düsteren Clubs, überfüllten Musikkneipen, einsamen Hotelbars zu später Stunde, wo sich, nach meinem Dafürhalten, seine besten Einsatzgebiete befinden. Die Eröffnung des Duftes ist betörend, ja geradezu explosionsartig herb mit Safran, Weihrauch und lauten Gewürzen, wahrlich kein Duft fürs Büro. Im weiteren Verlauf mildert sich die strenge Schärfe, der Duft wird aromatischer, milder aber jederzeit deutlich wahrnehmbar. Haltbarkeit und Sillage sind erhaben. Für mich zusammengefaßt ein ganz besonderer Duft, welcher ich nicht mehr missen möchte. Ein zeitloser Duft von 2017, hätte aber genauso gut in das Frankreich unter Marschall Petain gepasst
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