Wastlking
31.12.2013 - 06:53 Uhr
10
Hilfreiche Rezension
7.5
Flakon
5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
10
Duft

The Great Pretender – Barry Lyndon (Maria Candida Gentile)

„Ich wusste, dass ich dazu geboren war, eine glänzende Stellung in dieser Welt zu bekleiden,“ bekennt Barry Lyndon alias Redmond Barry völlig unbescheiden gegen Ende seines Lebens bei der Verfassung seiner Memoiren. Er – ein völlig verarmter, halb verwaister Spross niederen irischen Landadels – entwickelt sich in den Wechselfällen seines Lebens zu einem Hochstapler und Emporkömmling, zu einem Spieler und Blender, der sich Zugang zu den höchsten Kreisen des europäischen Fürstentums eröffnet, eine finanziell vorteilhafte und titelverleihende Heirat mit Lady Lyndon erzielt, und auf dem Höhepunkt seines Ruhms an den Rand des Abgrunds kommt, in den er zu lange blickt. Es ist die klassische Geschichte des rasanten Aufstiegs und tiefen Falls eines scheinbar Glücklichen, die William Makepeace Thackeray seinen Protagonisten Barry Lyndon selbst erzählen lässt.

Was bräche über denjenigen nun zusammen, der in die Verlegenheit geriete, Bibliophilen, denen das gleichnamige dezente Eau de Parfum an dem Träger auffiele und sich nach diesem erkundigten, den Namen des Duftes zu verraten. Leiser Spott um die Mundwinkel? Dieses grausame Lächeln mit den leicht angehobenen Brauen und dem klaren, kalten Blick eines Richters, der einen als Abbild dieser moralisch vollkommen verrotteten Figur – die manipuliert, betrügt und erpresst, um an ihre gesetzten Ziele zu kommen – abklassifiziert? Würden die zurückliegenden Leistungen geschmälert? Würde derjenige als Egomane entlarvt, der jedwede Selbstreflexion verloren hat?

Was scherte es mich!

Was für ein Duft! Was für ein grün-krautiger Beginn, der das pudrige Finale bereits mitschwingen lässt! – ich wusste nicht, dass mich so etwas begeistern kann; Barry Lyndon von Maria Candida Gentile ließ mich mein distanziertes Verhältnis zu Lavendel (der zwar nicht in der Duftpyramide explizit genannt, aber auf den auf der eigenen Homepage von MCG aufmerksam gemacht wird) völlig revidieren, wofür ich mich an dieser Stelle bei Yatagan bedanken möchte, der mir bei einem Tausch auch eine Probe dieses Duftes überraschend zukommen ließ. Was für eine bittersüße Symphonie, die den Lebenslauf der gleichnamigen Romanfigur widerspiegelt! Welch elegantes, fein-pudriges Oeuvre!

Ich rufe, während ich meine gepuderte Perücke aufsetze, den hämisch-grinsenden Obrigkeitshörigen, die letztlich nur Angst um ihre eigenen Pfründe haben, schallend entgegen: „Oh yes, I’m the great pretender (ooh ooh) …“
3 Antworten