
Yatagan
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Yatagan
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Und so schloss sich der Kreis...
Tief betroffen saß Redmond Barry - oder Barry Lyndon, wie er später heißen würde - beim Schein einer schwach leuchtenden Kerze; Mitte des 18. Jahrhunderts immer noch die einzige Lichtquelle neben den Gestirnen. Und Kerzen waren teuer, auch für einen jungen irischen Landadligen, der überdies befürchten musste, bei einem Duell seinen Gegner, einen Offizier, getötet zu haben. Auf der Flucht nach Dublin war er zu allem Überfluss seiner Ersparnisse beraubt worden und nun mittellos. Unter diesen Umständen war seine Entscheidung, sich bei der britischen Armee zu melden, der letzte Rettungsanker gewesen. Und doch war ihm zum Zeitpunkt seiner Unterschrift nicht wirklich klar, wie schnell alles gehen würde. In Deutschland tobte seit 1756 der Siebenjährige Krieg, nach den Maßstäben seines Jahrhunderts ein Weltkrieg, der preußische und britische Truppen auf der einen Seite und kaiserlich-österreichische, russische und französische Truppen auf der anderen Seite aufeinanderprallen ließ.
Angesichts dieser Aussichten auf Tod und Gewalt war sein einziger Trost ein Duft, den er in einem kleinen Reiseflakon hatte retten können. Seine Mutter hatte ihn früher immer als Ersatz für Riechsalz verwendet, wenn eine ihrer zahllosen Ohnmachten drohten. Er war für Damen und Herren gleichermaßen geeignet und ein typisches Produkt Londoner Parfümeurkunst.
Die Kräuter im Auftakt sorgten für die würzige, kräftige Kopfnote, die der Ohnmacht nahe Damen wieder zum Leben zu erwecken vermochte, die ebenso aber auch irischen oder englischen Gentlemen gefallen konnte, die sich in einer Mußestunde in einem Barbiersalon in Londons feinen Vierteln frisieren und rasieren ließen. Massierte man den Duft in die frisch rasierte Haut ein, kam immer deutlicher der Geruch der aromatisch krautigen Arnika und Erika zum Vorschein. Überdies enthielt der Duft einen säuerlichen Geruch, den unser Held einfach nicht einordnen konnte, der ihm aber ausnehmend gut gefiel. Er konnte nicht wissen, dass es sich dabei um die aus der gleichfalls seit 1756 unterworfenen indischen Kolonie stammende Vetiverwurzel handelte. Auch die in der Basisnote enthaltene Vanille stammte wohl von einer der Inseln im indischen Ozean, wo ihre Anbaugebiete seit Alters her lagen. Die Kombination aus diesen beiden Duftkomponenten war es wohl auch, die für die pudrige Note sorgte, die ihn immer an die Perücke seiner geliebten Mutter erinnerte.
Versonnen dachte Barry Lyndon an sein letztes Erlebnis in Dublin, als er sich bei einem Friseur rasieren ließ. Nicht bei einem dieser Dorfbarbiere, bei denen die gemeinen Soldaten ihre Bärte stutzen und pflegen ließen, die notfalls auch Zähne zogen und billige Perücken puderten, sondern bei einem dieser guten Salons, die warm und gemütlich waren, die auch am Abend mit Kerzen erleuchtet waren und die neben Haar- und Bartwachs auch Duftwässer führten, die sich das einfache Volk gar nicht leisten konnte. Das war nicht dieses selbstgepanschte Zeug fahrender Händler, das den Namen Duft gar nicht verdiente, sondern Parfums von Erzeugern wie Floris of London, die dort seit 1730 feine Dufterzeugnisse herstellten und zu Hoflieferanten diverser Königs- und Fürstenhäuser aufgestiegen waren. Von solcher Art war auch sein Parfum, wenngleich es nicht von Floris selbst stammte, einer Manufaktur, die auch er sich nicht leisten konnte oder wollte.
Viele Jahre später, nachdem Barry Lyndon nach einem tiefen, jähen Fall, den er sich nach Ansicht seines adligen Umfelds selbst zuzuschreiben hatte, unter wenig vornehmen Umständen das Zeitliche segnete, fand man diesen Flakon unter seinen spärlichen Habseligkeiten, die ihm geblieben waren. Er war leer und roch kaum vernehmlich nach dieser undefinierbaren pudrigen Note, die Barry immer an die Perücke seiner Mutter erinnerte und an die er kurz vor seinem Tod noch hatte denken müssen, als er zum letzten Mal an dem leeren Flakon roch.
Auf seinen Irrfahrten durch Europa hatte er immer wieder versucht, dieses Duftwasser zu finden, um den unnachahmlichen krautig-pudrigen Geruch um sich zu haben, der ihn seit seiner Jugend begleitet hatte. Zwar fand er Orangendüfte in Italien, feinste Bergamotte- und Zitronenwässer bei einem gewissen Farina in Deutschland, Sandelholzdüfte in London, aber das alte Duftwasser, das er seinerzeit bei seiner Mutter als Heilmittel gegen Ohnmachten kennen gelernt hatte, schien verloren.
Wie konnte Barry ahnen, dass 250 Jahre später eine italienische Parfumeurin rein zufällig eine Komposition entwickeln würde, die der von Barry Lyndon aufs Haar glich. Und überdies war es Zufall, dass sie, fasziniert vom Schicksal des jungen Adligen und von dem gleichnamigen Film von Stanley Kubrick sowie der Romanvorlage von William Makepeace Thackeray, den Duft nach ihm benennen würde. Und so schloss sich der Kreis, rein zufällig natürlich.
Angesichts dieser Aussichten auf Tod und Gewalt war sein einziger Trost ein Duft, den er in einem kleinen Reiseflakon hatte retten können. Seine Mutter hatte ihn früher immer als Ersatz für Riechsalz verwendet, wenn eine ihrer zahllosen Ohnmachten drohten. Er war für Damen und Herren gleichermaßen geeignet und ein typisches Produkt Londoner Parfümeurkunst.
Die Kräuter im Auftakt sorgten für die würzige, kräftige Kopfnote, die der Ohnmacht nahe Damen wieder zum Leben zu erwecken vermochte, die ebenso aber auch irischen oder englischen Gentlemen gefallen konnte, die sich in einer Mußestunde in einem Barbiersalon in Londons feinen Vierteln frisieren und rasieren ließen. Massierte man den Duft in die frisch rasierte Haut ein, kam immer deutlicher der Geruch der aromatisch krautigen Arnika und Erika zum Vorschein. Überdies enthielt der Duft einen säuerlichen Geruch, den unser Held einfach nicht einordnen konnte, der ihm aber ausnehmend gut gefiel. Er konnte nicht wissen, dass es sich dabei um die aus der gleichfalls seit 1756 unterworfenen indischen Kolonie stammende Vetiverwurzel handelte. Auch die in der Basisnote enthaltene Vanille stammte wohl von einer der Inseln im indischen Ozean, wo ihre Anbaugebiete seit Alters her lagen. Die Kombination aus diesen beiden Duftkomponenten war es wohl auch, die für die pudrige Note sorgte, die ihn immer an die Perücke seiner geliebten Mutter erinnerte.
Versonnen dachte Barry Lyndon an sein letztes Erlebnis in Dublin, als er sich bei einem Friseur rasieren ließ. Nicht bei einem dieser Dorfbarbiere, bei denen die gemeinen Soldaten ihre Bärte stutzen und pflegen ließen, die notfalls auch Zähne zogen und billige Perücken puderten, sondern bei einem dieser guten Salons, die warm und gemütlich waren, die auch am Abend mit Kerzen erleuchtet waren und die neben Haar- und Bartwachs auch Duftwässer führten, die sich das einfache Volk gar nicht leisten konnte. Das war nicht dieses selbstgepanschte Zeug fahrender Händler, das den Namen Duft gar nicht verdiente, sondern Parfums von Erzeugern wie Floris of London, die dort seit 1730 feine Dufterzeugnisse herstellten und zu Hoflieferanten diverser Königs- und Fürstenhäuser aufgestiegen waren. Von solcher Art war auch sein Parfum, wenngleich es nicht von Floris selbst stammte, einer Manufaktur, die auch er sich nicht leisten konnte oder wollte.
Viele Jahre später, nachdem Barry Lyndon nach einem tiefen, jähen Fall, den er sich nach Ansicht seines adligen Umfelds selbst zuzuschreiben hatte, unter wenig vornehmen Umständen das Zeitliche segnete, fand man diesen Flakon unter seinen spärlichen Habseligkeiten, die ihm geblieben waren. Er war leer und roch kaum vernehmlich nach dieser undefinierbaren pudrigen Note, die Barry immer an die Perücke seiner Mutter erinnerte und an die er kurz vor seinem Tod noch hatte denken müssen, als er zum letzten Mal an dem leeren Flakon roch.
Auf seinen Irrfahrten durch Europa hatte er immer wieder versucht, dieses Duftwasser zu finden, um den unnachahmlichen krautig-pudrigen Geruch um sich zu haben, der ihn seit seiner Jugend begleitet hatte. Zwar fand er Orangendüfte in Italien, feinste Bergamotte- und Zitronenwässer bei einem gewissen Farina in Deutschland, Sandelholzdüfte in London, aber das alte Duftwasser, das er seinerzeit bei seiner Mutter als Heilmittel gegen Ohnmachten kennen gelernt hatte, schien verloren.
Wie konnte Barry ahnen, dass 250 Jahre später eine italienische Parfumeurin rein zufällig eine Komposition entwickeln würde, die der von Barry Lyndon aufs Haar glich. Und überdies war es Zufall, dass sie, fasziniert vom Schicksal des jungen Adligen und von dem gleichnamigen Film von Stanley Kubrick sowie der Romanvorlage von William Makepeace Thackeray, den Duft nach ihm benennen würde. Und so schloss sich der Kreis, rein zufällig natürlich.
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