Secrets of Love - Délice 2016

RaniJuli
11.01.2023 - 02:10 Uhr
8
8
Sillage
9
Haltbarkeit
8
Duft

Beautiful Trash

Dieser Duft ist wie ein Pop-Song, den man an einem Frühlingstag hoch und runter hört.
Wie ein Glas Rosé-Secco.
Wie ein neuer Woody-Allen-Film.
Wie ein Hochglanz-Magazin.
Wie Pflaumenkuchen mit Zimt zum Frühstück.
Wie ein Wochenendtrip nach Nizza.

Nun muss dazu gesagt sein:
Ich bin eigentlich Jazz-Fan, freue mich jedes Jahr auf den Herbst, mag trockene Weine & die kühle Eleganz von Hitchcock-Filmen, lese als erstes den Politik-Teil der Wochenzeitung, frühstücke selten und mache am liebsten lange Rucksackreisen in ungewöhnliche Ecken der Welt. Ich grübele manchmal ein bisschen zu viel und mag Düfte, die komplexe Geschichten erzählen.

Keine guten Voraussetzungen für mich und Micallef‘s Duft.

Und doch…
Irgend etwas hat mich beim ersten Schnuppern eingefangen.

Wie immer, wenn ich eine neue Stadt besuche, machte ich kürzlich auf einem Tagesausflug auch einen Abstecher in die örtliche Pafümerie - und war positiv überrascht vom recht großen Nischen-Sortiment. Auf meine Frage nach einem Oud-Duft präsentierte mir die Verkäuferin unter anderem „Délice“.
Disclaimer: Mit Oud, wie ich es kenne und immer wieder suche, hat der Micaleff-Duft für mich absolut nichts zu tun. ABER.

Im Opening nehme ich eine frisch-würzige, scharfe Note wahr. Das erste Mal, dass ich mich durch einen Duft tatsächlich an das Gefühl im Mund erinnert fühle, wenn man eine Rosa-Pfeffer-Beere zerbeißt. Frisch, scharf, leicht betäubend. Dazu kommt eine mineralische Komponente, die ich keiner der gelisteten Noten zuordnen kann, sowie - ganz entfernt - etwas leicht Fruchtiges. Diese Kopfnote ist laut, selbstbewusst - und macht gleich klar, dass man im weiteren Verlauf nicht mit allzu viel Tiefe rechnen sollte. Eher Designer- als Nischen-DNA.
Aber dennoch - und darüber bin ich selbst überrascht - langweilt mich der Auftakt nicht, sondern steckt mich mit seiner selbstbewussten Fröhlichkeit an.

In der Herznote entfaltet sich dann der florale Aspekt von „Délice“.
Rose ist klar zu erkennen - ich bilde mir ein, auch Jasmin wahrzunehmen.
Außerdem tritt die fruchtige Komponente aus der Kopfnote jetzt viel stärker hervor. Eher herb-süß als säuerlich, weckt sie tatsächlich Assoziationen mit einer sehr dunklen und reifen Pflaume. Der Duft wird in seinem Verlauf cremiger und verliert (leider) die interessante, mineralisch-kratzige Komponente vom Beginn.

In der Basis bleibt ein angenehmes Gemisch aus unbestimmten Hölzern, etwas Vanille & Zimt auf meiner Haut. Nicht übermäßig süß, sogar leicht „maskulin“ (was ich sehr mag).

Tja, was mache ich nun mit dir, Délice?
Du passt nicht zu meinen sonstigen Vorlieben, bist laut, wenig komplex, etwas „oberflächlich“. Aber du machst mir verdammt gute Laune!

Das Leben wäre furchtbar langweilig, wenn man den eigenen Vorlieben nicht ab und an untreu würde.
Deswegen darf es eben auch mal Rosé-Secco sein. Oder Pop. Oder Pflaumenkuchen mit Zimt zum Frühstück.

Update Juli 2023:
Der Duft ist mittlerweile durch einen Tausch bei mir eingezogen und versüßt mir regelmäßig die kühleren Tage dieses etwas verrückten Sommers!
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