Mauboussin 2000

Ttfortwo
31.08.2023 - 06:08 Uhr
41
Top Rezension
10
Preis
2
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft

Was für ein Dickschiff!



Erster Coronasommer - und wir hatten einfach mal Glück: Das eher bescheidene Prager Altstadthotel, in dem wir – weil Coronapreise, da konnten wir uns das leisten – eine Suite gebucht hatten, schrieb uns ein paar Stunden vor unserer Abreise ein liebenswürdiges Mail: Man habe so wenig Buchungen, daß es sich nicht lohne, das Haus überhaupt zu öffnen. Man habe uns stattdessen in einem anderen Haus untergebracht und selbstverständlich zum gleichen Preis und selbstverständlich in einer vergleichbaren Kategorie und, ja, selbstverständlich, weil Ehrensache, habe man ein deutlich besseres Haus gewählt.

Der Ausdruck „deutlich besser“ war deutlich untertrieben: Wir landeten in einem der besten Häuser Prags, mächtige Gründerzeitfassade, vier Meter hohe Räume, opulentester klassischer Hotelluxus – und in einer Suite, größer als unsere Wohnung. Riesige Fenster, opulente Möblierung zwischen Gründerzeit und Art Deco – der Hammer!

Warum ich das erzähle: Weil die raumhohen Fenster mit einem unfaßbar voluminösen Seidenstoff dekoriert waren, so ein Stoff, der Wellen wirft und keine Falten. Die Grundfarbe ein warmes Safran, zwischen dunklem Gelb und warmen rötlichen Orange changierend und bestickt war er mit unendlichen Girlanden von Blüten und Blättern in indischen Farben: Leuchtendes Magenta, dichtes Rot, knalliges Pink, samtiges Violett, tiefstes Purpur, strahlendes Gelb und allen Schattierungen von Grün für das Blattwerk. Und wunderbarerweise löste sich all dieses Kunterbunt, all diese knallenden Farben zu einem warmen, dunkelgoldenen Leuchten auf.

Und so duftet für mich die Kopfnote von Mauboussins Signaturduft: Eigentlich ist sie laut, kunterbunt, ein Wirrwarr von Farben und Noten, es pflaumt und likört und pfirsicht. Opulent, dicht, knallig.

Aber sie wirkt völlig anders als sie eigentlich riechen müßte, sie wirkt nämlich samtigreif und dunkelbunt, kleine funkelnde Duftdetails und spannende Akzente verhindern dabei erfolgreich, daß die Kopfnote zu sehr in die Breite bräst. Ein bernsteinfarbenes Juwel, das behäbig wirken könnte, würden nicht bei jeder Bewegung flitzebunte Strahlen aufblitzen.

Dieses Kunststück, immer ein wenig feiner, delikater zu riechen als andere, ähnliche Düfte, dieses Kunststück vollbringt der Duft auch im weiteren Verlauf. Eigentlich verbreitert er sich zu einem dichten blumigen schwerblütigen Halborientalen („Halb“ deshalb, weil die typischen Gewürzakzente, Nelke, Zimt, nur sehr sparsam eingesetzt sind). Eine altgoldene Pracht! Warme trockene Vanille und Benzoe beginnen, meine Seele zu streicheln, eigentlich schon tausendmal gerochen, aber es gibt feine, zart blumige und luftige Akzente, leise singende Obertöne, delikat blütensüß und pudrig, und die geben dem Duft bis in seine Basis hinein eine ganz unerwartete Transparenz. Das Dickschiff kann schweben.

Natürlich ist der Duft eine Diva bleibt eine Diva bleibt eine Diva. Eine echte. Eine wirkliche, echte, eine geborene Diva muß nicht rumbrüllen, weil sich das Meer vor einer echten Diva von selbst teilt, einfach, weil sie eine ist. Und so ist auch der Duft: Er ist sehr präsent und sehr vernehmbar. Aber er brüllt nicht. Ein Faible für ältere Duftsignaturen braucht es wohl und vielleicht auch schon ein paar Jährchen auf dem persönlichen Buckel, um ihn angemessen und wie selbstverständlich tragen zu können.

Der Flakon allerdings, der ist gelinde gesagt eine Zumutung. Vermutlich könnte man mit dem scharfkantigen tonnenschweren Monster einen ungeliebten Schädel einschlagen, die winzige, nach oben zulaufende Kappe ist fast nicht zu greifen und noch schwerer abzunehmen und schön ist er sowieso nicht. Egal, wenn's so prächtig duftet!
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