Vert Empire 2021

Creepwood
22.07.2022 - 15:34 Uhr
12
Top Rezension
7
Preis
10
Flakon
4
Sillage
5
Haltbarkeit
10
Duft

Mein Lieblingsfreshie

Ich habe eine Schwäche für sogenannte ‘Freshies’: Zitrische Noten, mediterranes Feeling, olfaktorische Ligurien-Atmosphäre - yes please! Leider weisen viele Düfte in diesem Genre drei Schwächen auf - zwei dürften allgemein bekannt sein; der dritte Aspekt hat vielleicht mehr mit mir und meiner Haut und/oder meiner unfähigen Nase zu tun. Erstens sind frisch-zitrische Düfte meistens ziemlich schwachbrüstig, wenn es um Haltbarkeit und Sillage geht. Der Klassiker schlechthin, Colonia von Acqua di Parma, wäre hier ebenso als Beispiel zu nennen wie die blauen Flakons desselben Hauses. Dieses Problem, so viel sei schon vorweggenommen, löst nach meiner Wahrnehmung auch “Vert Empire” nicht. Eine zweite Schwäche vieler Vertreter dieser Duftkategorie: Die erfrischenden, fruchtigen Noten wirken schnell einmal artifiziell. Keine Ahnung, woran das liegt - aber egal, niemand will nach Raumduft oder Putzmittel riechen. Ein dritter Punkt kommt hinzu: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele Zitriker auf meiner Haut schnell eine sehr seltsame, leicht metallische und zugleich muffige Note entfalten. Das ist beispielsweise bei diversen Aquas aus dem von mir ansonsten sehr geschätzten Hause Kurkdjian der Fall. Meine Nase ist nicht fein genug, um die Note(n) zu identifizieren, die zu diesem Effekt führt oder führen.

Nun zu Vert Empire, einem Meisterwerk frisch-grüner Parfümeurskunst. Man kann von Herrn Morillas halten, was man will, aber niemand kann bestreiten, dass er ein unglaublich kreativer und produktiver Parfümeur ist. Ich habe mich durch fast das ganze Sortiment seiner Genfer Hausmarke Mizensir getestet und ziehe den Hut vor der Konsequenz, mit der er seine gestalterische Linie verfolgt. Gefallen haben mir natürlich nicht alle Düfte, aber durchdacht sind sie auf jeden Fall, und sie tragen eine spezifische Handschrift: Es sind subtile, angenehme und doch keineswegs banale oder brave Kreationen; sie kommen ohne große Narrative und sonstiges Marketinggedöns aus - Düfte, die niemandem etwas beweisen müssen, von einem Meister seines Fachs, der seinerseits einfach sein Ding macht, ganz ohne Effekthascherei.

Bestellt habe ich schließlich Flakons von Vert Empire und Ambre Magique, wobei auch Mythique Vetiver ein Kandidat war (und ich mag eigentlich kein Vetiver!). Vert Empire ist neben Neroli Portofino Forte schlicht das beste frisch-zitrische Parfum, das ich je gerochen habe. Trotz einiger synthetischer Inhaltsstoffe - die in den Mizensir-Düften übrigens generell klug und effektvoll eingesetzt werden - riecht der Duft absolut natürlich. Mich beeindruckt die perfekte Balance aus ‘fruchtiger’ Süsse und ‘grüner’ Frische - bei vielen Düften schlägt das Pendel stark in die eine oder die andere Richtung aus. Wenn ich etwa Costa Azzurra Parfum auftrage, rieche ich eine Weile wie eine frisch geschnittene Zitrone - und wenn ich mich für Nio entscheide, ist da eine recht penetrante, scharfe ‘grüne’ Gras-Note. Ich mag beide genannten Düfte sehr, aber hier ist das anders: Die Kopfnoten, Mandarine und Kardamom, sind perfekt ausbalanciert. Man liest hier in vielen Rezensionen von Düften, die an ‘frisch gewaschene weisse Hemden’ erinnern, an luftige Leinenstoffe an der italienischen Küste - viele dieser Parfums habe ich probiert, aber nur in Neroli Portofino Forte und Vert Empire finde ich diese Idee, diese Impression wirklich olfaktorisch realisiert. Ein Traumduft, gerade jetzt im Sommer.

Anzumerken ist, dass ich nicht wirklich eine Entwicklung wahrnehme: Von Salbei, Benzoe und Sandelholz bemerke ich nichts, aber das muss wenig bedeuten; meine Nase ist notorisch schwach. Und die Haltbarkeit scheint mir auch nicht eben spektakulär zu sein - allerdings bin ich auch hier mit meinem Urteil vorsichtig, weil ich schnell einmal geruchsblind werde (von Baccarat Rouge Extrait kriege ich schon nach etwa zehn Minuten gar nichts mehr mit). So oder so: Vert Empire ist so lieblich, so fein und angenehm, dass es auch einfach eine Freude ist, zwischendurch nachzusprühen.

Ein grandioser Duft, der viel mehr Aufmerksamkeit verdient hat.

PS: Das ist meine erste 'richtige' Rezension hier, ich bitte um Gnade ;)
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