Jazzbob
15.03.2018 - 16:51 Uhr
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7.5Duft 7Haltbarkeit 6Sillage

Modernes Grün

Wir müssen uns nichts vormachen: Synthetik findet sich in so gut wie allen Parfums wieder. Es stellt sich also vielmehr die Frage nach dem Anteil und der Wirkung von synthetischen Duftstoffen, statt nach synthetisch oder nicht. Ich bin eher ein Freund von Natürlichkeit, habe aber in bestimmten Kontexten kein Problem mit artifiziellen Noten, die beispielsweise bei aquatischen Düften nahezu unvermeidbar sind. Die Marke Nomenclature steht wortwörtlich mit ihrem Namen für das benennen von synthetischen Duftstoffen, die zwar essentiell sind für die Parfümwelt, aber selten so bekannt wie Iso-E-Super oder Ambroxan. Glycolierral, das in shi_sõ akzentuiert wird, dürfte wohl zu jenen zählen, von denen die meisten noch nie gehört haben.

Ob shi_sõ nun nach zerdrückten Efeublättern riecht, kann ich nicht sagen, aber ohne Zweifel assoziiere ich den Duft zuerst mit etwas saftig Pflanzlichem. Doch von Anfang an wird klar, dass die hellgrüne Facette nur eine von den drei dominanten ist, denn einerseits sorgt die minzige Note, die hier eher beigemischt ist und nicht an Zahnpasta denken lässt, für eine kühlende Frische, und andererseits wird der belebende Charakter von shi_sõ durch die Säure der schwarzen Johannisbeere noch verstärkt. In der Kombination muss ich dabei – wie Zauber600 es analog beschrieb – an Rhabarber denken, zu der sich ein bisschen Süße gesellt, welche nie klebrig wirkt, dank der langanhaltenden Frische. Mit der Zeit nehme ich auch den Kardamom wahr und die minzig-kühle Seite wird nach und nach herunter gedimmt, sodass es hauptsächlich bei der grünen und sauer-fruchtigen Wirkung bleibt. Das Metallische, von dem hierzu Einige schreiben, hält sich meiner Meinung nach in Grenzen. Überhaupt empfinde ich shi_sõ als weniger synthetisch duftend als so manch andere Kreationen – nichtsdestotrotz schwingt für mich eine an typisch sauber wirkenden Moschus erinnernde Note mit. Auch der Geruch, den viele Reinigungs- und Pflegeprodukte mit Aloe Vera haben, erscheint mir artverwandt.

Generell würde ich sagen, dass Nomenclature keine extrem künstlichen Düfte schaffen will, sondern vielmehr zeigen, welches Potenzial in bestimmten Stoffen steckt und dass daraus moderne, eigenständige, aber auch tragbare Kreationen gemacht werden können. shi_sõ ist definitiv einen Test wert für jeden Fan von grünen Parfums, man sollte aber nichts gegen die sehr präsente Säure haben. Die Haltbarkeit ist für einen frischen Duft gut mit sechs bis sieben Stunden, die Projektion – nach dem kurzen Kick zu Beginn – moderat. Zu formellen Anlässen würde ich shi_sõ als deplaziert empfinden, aber ansonsten ist er recht unkompliziert. Zudem handelt es sich hierbei um einen Unisex-Duft par excellence.
4 Antworten
JazzbobJazzbob vor 8 Jahren
Danke! Das stimmt: Diese spritzig-grüne Qualität hat etwas für sich.
Zauber600Zauber600 vor 8 Jahren
Habe ihn jetzt mehrmals - auch bei kalten Wetter - getragen .. eigentlich ein Immergeher wenn man diese intensive 'Grünheit' ertragen kann. Pokälsche!
OhdeberlinOhdeberlin vor 8 Jahren
Gerne gelesen, danke
KovexKovex vor 8 Jahren
Das hört sich für mich nach einem interessanten Sommerduft an. Klasse beschrieben.