05.02.2021 - 08:47 Uhr
FvSpee
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FvSpee
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Neukölln 21: Tourismus (jetzt ohne Fleischwurst, aber mit Batch!)
Als ich vor einigen Wochen auf der (erfolgreichen) Jagd nach einem bestimmten türkischen Kolonya (das inzwischen hier auch kommentiert ist) die örtliche Filiale der Berliner Multikulti-Supermarktkette Eurogida aufsuchte...
[die Internetpräsentation
https://www.eurogida.de/
ist schon ein wenig angehipsert, die Realität glücklicherweise noch kultig altbacken und fest im Westberliner Milieu der 80-er verankert]
... und am Regal mit den Kölnisch- und Rasierwässerchen herumstand, trat ein freundlicher älterer Osmane zu mir, zeigte auf diesen Duft und meinte sinngemäß: "Sehr gutes Kolonya! Etwas teurer, aber super! Musst du probieren!". Wer wollte sich dieser Empfehlung aus berufenem Munde widersetzen, zumal "etwas teurer" hier nach meiner Erinnerung 3,80 Euro für 100 ml statt 4,50 Euro für 250 ml wie bei anderen Marken bedeutete, also durchaus noch so, dass man sich auch noch was zu essen in diesem Monat leisten kann.
Meine ersten Eindrücke waren von der berüchtigen Spee'schen Brühwurstnotenwahrnehmung geprägt, die bei zitrischen Colognes verschiedenster Preisklassen bei mir ja leider gerne mal wie Ziethen aus dem Busch gesprungen kommt. Sie schlugen sich in 6 Punkten, dem noch immer hier lesbaren Statemet und einer Verwendung als Desinfektionsmittel für die Hände nieder.
Inzwischen ist die Worscht weg. Ich vermutete zunächst Perzeptionsschwankungen in meinem Riechzentrum, gehe inzwischen aber von subtilen Nachreifungs- und Mazerationsprozessen im Produkt selbst aus, was bei einem derartigen High-End-Nischen- (was sag ich, Niche-) Produkt, das in Maufakturarbeit aufwändig aus reinen Naturrohstoffen gewonnen wird, nachvollziehbar ist, zumal es sich um eine junge Batch (Üretim Tarihi / Production Date: 08/2020) handelt.
Daher würde ich Perejas "Limon Cicegi Kolonyasi Turistik", auf dem Etikett weltläufig zweisprachig auch als "Eau de Cologne Lemon Touristic" übersetzt (aber nicht ganz treffend, denke ich, denn im Englischen ist die 'Blüte' der Zitronenblüte verlorengegangen), jetzt als zurückhaltenden, ganz leicht fein-cremigen (Moschus?) und noch leichter grünen (Blätter?) Vertreter der kolonyalen Schlichtzitrik bezeichnen. Die Zitrone ist sauber gemittelt und fällt weder durch saure, noch durch scharfe Kapriolen auf, am ehesten noch durch eine ganz sanfte Süße (ich glaube, die ist es auch, die in meiner Nase manchmalins Brühpolnische kippt).
Pereja übt sich in feinem ostmediterranem Understatement, indem auf dem Flakon nicht etwa verblasene und verlogene Produktlyrik in die Welt geschwallt wird, sondern die ehrlichen handfesten Vorzüge der Ware militärisch kurz vermeldet werden: Einfach nur "80*". Das ist ein Statement! Genug Alkohol also, um auch südafrikanische und britische Mutanten zuverlässig in den Virenhimmel zu befördern.
Die Flakongestaltung, die leicht von dem hier abgebildeten Modell abweicht, ist von erfrischernder Funktionalität und Minimalistik. Die Internetseite des Herstellers lässt erkennen, dass dieser Juice auch in den für Bügeleisen-Aquadest oder Scheibenwischer-Frostschutzzusatz typischen Fünfliterkanistern angeboten wird, und zwar für ehrliche 139,90 türkische Lira (derzeit 16,53 Euro):
https://www.perejastore.com/
Bleibt die Bedeutung des erratisch auf dem Etikett prangenden Wortes TURISTIK zu klären.
Ist dieses Duftwasser als Reisecologne konzipiert? Jedenfalls bei den Fünfliterkanistern ist das schwer vorstellbar. Soll hier schlicht Modernität evoziert werden, indem es eben nicht etwa FREMDENVERKEHR, sondern TOURISMUS heißt?
Handelt es sich gar um ein Autofahrercologne zum Erfrischen auf heißen Strecken ohne Klimaanlage (gelernte DDR-Bürger erinnern sich gewiss an den Wartburg Tourist, und im Spanischen und Rumänischen heißen ja sowieso alle PKWs "Touristenautos" (automovíl de turismo resp. autoturismul)?
... Pereja sprüht - und alle Fragen offen.
[die Internetpräsentation
https://www.eurogida.de/
ist schon ein wenig angehipsert, die Realität glücklicherweise noch kultig altbacken und fest im Westberliner Milieu der 80-er verankert]
... und am Regal mit den Kölnisch- und Rasierwässerchen herumstand, trat ein freundlicher älterer Osmane zu mir, zeigte auf diesen Duft und meinte sinngemäß: "Sehr gutes Kolonya! Etwas teurer, aber super! Musst du probieren!". Wer wollte sich dieser Empfehlung aus berufenem Munde widersetzen, zumal "etwas teurer" hier nach meiner Erinnerung 3,80 Euro für 100 ml statt 4,50 Euro für 250 ml wie bei anderen Marken bedeutete, also durchaus noch so, dass man sich auch noch was zu essen in diesem Monat leisten kann.
Meine ersten Eindrücke waren von der berüchtigen Spee'schen Brühwurstnotenwahrnehmung geprägt, die bei zitrischen Colognes verschiedenster Preisklassen bei mir ja leider gerne mal wie Ziethen aus dem Busch gesprungen kommt. Sie schlugen sich in 6 Punkten, dem noch immer hier lesbaren Statemet und einer Verwendung als Desinfektionsmittel für die Hände nieder.
Inzwischen ist die Worscht weg. Ich vermutete zunächst Perzeptionsschwankungen in meinem Riechzentrum, gehe inzwischen aber von subtilen Nachreifungs- und Mazerationsprozessen im Produkt selbst aus, was bei einem derartigen High-End-Nischen- (was sag ich, Niche-) Produkt, das in Maufakturarbeit aufwändig aus reinen Naturrohstoffen gewonnen wird, nachvollziehbar ist, zumal es sich um eine junge Batch (Üretim Tarihi / Production Date: 08/2020) handelt.
Daher würde ich Perejas "Limon Cicegi Kolonyasi Turistik", auf dem Etikett weltläufig zweisprachig auch als "Eau de Cologne Lemon Touristic" übersetzt (aber nicht ganz treffend, denke ich, denn im Englischen ist die 'Blüte' der Zitronenblüte verlorengegangen), jetzt als zurückhaltenden, ganz leicht fein-cremigen (Moschus?) und noch leichter grünen (Blätter?) Vertreter der kolonyalen Schlichtzitrik bezeichnen. Die Zitrone ist sauber gemittelt und fällt weder durch saure, noch durch scharfe Kapriolen auf, am ehesten noch durch eine ganz sanfte Süße (ich glaube, die ist es auch, die in meiner Nase manchmalins Brühpolnische kippt).
Pereja übt sich in feinem ostmediterranem Understatement, indem auf dem Flakon nicht etwa verblasene und verlogene Produktlyrik in die Welt geschwallt wird, sondern die ehrlichen handfesten Vorzüge der Ware militärisch kurz vermeldet werden: Einfach nur "80*". Das ist ein Statement! Genug Alkohol also, um auch südafrikanische und britische Mutanten zuverlässig in den Virenhimmel zu befördern.
Die Flakongestaltung, die leicht von dem hier abgebildeten Modell abweicht, ist von erfrischernder Funktionalität und Minimalistik. Die Internetseite des Herstellers lässt erkennen, dass dieser Juice auch in den für Bügeleisen-Aquadest oder Scheibenwischer-Frostschutzzusatz typischen Fünfliterkanistern angeboten wird, und zwar für ehrliche 139,90 türkische Lira (derzeit 16,53 Euro):
https://www.perejastore.com/
Bleibt die Bedeutung des erratisch auf dem Etikett prangenden Wortes TURISTIK zu klären.
Ist dieses Duftwasser als Reisecologne konzipiert? Jedenfalls bei den Fünfliterkanistern ist das schwer vorstellbar. Soll hier schlicht Modernität evoziert werden, indem es eben nicht etwa FREMDENVERKEHR, sondern TOURISMUS heißt?
Handelt es sich gar um ein Autofahrercologne zum Erfrischen auf heißen Strecken ohne Klimaanlage (gelernte DDR-Bürger erinnern sich gewiss an den Wartburg Tourist, und im Spanischen und Rumänischen heißen ja sowieso alle PKWs "Touristenautos" (automovíl de turismo resp. autoturismul)?
... Pereja sprüht - und alle Fragen offen.
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