Gold Collection

Essence de Patchouli 2012

Lilibeth
27.05.2017 - 16:34 Uhr
1
6
Flakon
5
Sillage
7
Haltbarkeit
7.5
Duft

Charakter vs. Temperament – Sommernachtsverwirbelungen mit Holz

(Fast-)Sommernächte in der Großstadt: Zwischen den Häusern noch die Wärme des Tages, durch die geöffneten Fenster dringt abendlich-kühle Luft und die (fast) umfassende Stille, wenn sich alle vor dem Fernseher versammeln, um einem Fußballspiel zuzusehen. Gelegentliche Aufschreie künden von (Fast-)Toren oder vergebenen Chancen, ab und zu rauschen Autoreifen auf Asphalt und ein paar junge Stimmen erzählen davon, dass nicht alle das Fußballfieber gepackt hat. Die Nacht fällt langsam ins Dunkle. Ich sitze auf dem Bett und der Ventilator verwirbelt die Nachtluft mit der Wärme einer Dachwohnung zu angenehmen Temperaturen.

Der Ventilator trägt eine Duftwolke vom Handgelenk zu meiner Nase, aufgesprüht vor etwa zwei Stunden: Essence de Patchouli.

Wenig ist zunächst vom Patchouli zu erschnuppern, vorranging Iris und Geranie, die mit einem Holz unklarer Art verblendet sind. Die Geranie bringt zu Beginn einen erdigen Ton in die Mischung, fast spürte ich Weihrauch, aber es ist wohl eine Täuschung. Das ist einigermaßen spannend und belebend und weckt den Wunsch nach Mehr und einer tieferen Verbindung.
Die dezenten Blütenodeurs Iris und Rose treten bald zurück in einen tiefen Schatten von Rosengeranie und Patchouli, eine Kombination die beide Geruchskomponenten stark verändert, so dass sich kaum sagen lässt, ob nun das eine oder das andere oder gar eine weitere Zutat wie Gujaka- oder Zedernholz dominiert.

So langsam wie der Tag in die gleichbleibende Farbwelt der Nacht übergeht, so rasch fällt Essence de Patchouli in eine stete und wenig raumgreifende Duftnote. Man kann sich schnell verlieben in diesen Duft, aber dieser Liebe folgt doch sehr rasch der Alltag dem Honey - in diesem Falle dem Blüten - Moon. Diese gutmütige Behäbigkeit läuft Gefahr, sich in die Betulichkeit allen Ereignislosen zu wandeln:
Das ist nicht schlecht per se, aber die geweckten Ansprüche bleiben offen. Möglicherweise ändert sich dieses Erleben, wenn man den Duft häufiger nutzt. Man weiß, was kommt und wird nicht enttäuscht.
Doch die Frage nach der Tiefe der Beziehung taucht auf und das ist eine Frage des Temperaments – dieser Duft hat Charakter, gehört aber definitiv nicht zu den energievollsten.
Und es kann ja nicht überall ein Ventilator für Wirbel sorgen :)

Auf den Strassen setzt der Autoverkehr wieder ein, die Kinder sind zu Bett gebracht und ich greife zur Fernbedienung: Ventilator aus und Fernseher an. Mal sehen, wie sich Essence de Patchouli ohne Unterstützung hält…
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