Pour Monsieur
Man's Cologne
1972 Eau de Toilette

TheHavoc
21.08.2022 - 06:22 Uhr
13
Sehr hilfreiche Rezension
10
Preis
7
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft

Hommage an eine vergangene Zeit

Mit diesem Duft verbinde ich wunderschöne, liebevolle Erinnerungen an meinen Opa, der ihn oft trug, hauptsächlich zu Familienfeiern u.ä. Anlässen, wo man seine Grosseltern ja meistens zu Gesicht bekommt. Meistens ist es ein goldener Herbst, genau die Zeit, in der es morgens schon kühl bis kalt ist, und schon erste Morgennebel den Boden bedecken, der aber im Laufe des Vormittags langsam von der Sonne am klaren azurblauen Herbsthimmel aufgelöst wird und taunasse Wiesen hinterlässt. Wir sind zum Treffen in Köln, meiner heißgeliebten Geburtsstadt, in der die ganze Kölner Rasselbande sich zu Opas Geburtstag trifft, er hat den ganzen Clan zusammengehalten, war (tatsächlich) Selfmademan und hat aus dem Nichts eine sehr gut gehende Kölner Wirtschaftsprüferagentur und Feuersozietät gegründet. Er war absolut ein Mann mit Stil, fuhr Autos mit Stil, für sehr lange Zeit einen BMW 635 CSI in schwarzblau-metallic, wohnte mit Stil, aber alles ohne Protz (heute so für "Normalsterbliche" nicht mehr vorstellbar).
Wir treffen uns vor einem im Kölner Stadtwald gelegenen Restaurant, die ganze Baggage trifft nach und nach ein, die Reifen schwerer, eleganter Autos, darunter Jaguars, Mercedes, Rovers und BMWs, mein Papa im damals fettesten Citroen CX Prestige in schokoladenbraun-metallic, knirschen auf weißem Kies (ich will hier bitte nicht prahlen und prollen, so war es damals nunmal bei uns, eine Zeit ohne Reue, nur Liebe, jawohl !). Schwere Autotüren werden zugeschlagen, auf dem Kies, unter riesigen, herbstgolden, weinrot und goldbraun belaubten Buchen werden erste Zigaretten und Pfeifen angezündet, man umarmt sich, es wird viel gelacht (oh yes, und das haben wir, soviel gelacht, Kölner Klüngel halt , worauf ich sehr stolz bin). Dann trifft Opa ein (er fuhr seine Autos nicht, er glitt dahin), eine respektvolle Erwartungshaltung tritt ein, es wird deutlich ruhiger, Opa steigt aus (er war da schon locker Ende 70), rel. klein und gedrungen von Wuchs, und mit seinem Erscheinen entstieg mit ihm eine zarte Wolke seines Parfums, von da an immer dezent aber gediegen präsent, jedoch nie unterbutternd oder sich in den Vordergrund drängen wollend, der Duft von Pierre Cardin Pour Monsieur. Ab jetzt wird noch mehr gelacht, saftig und herzlichst, gleich werden wir ins Restaurant einkehren und den Laden bis in den späten Nachmittag belagern, es wird unglaublich lecker gespeist werden, Abends ging es dann oft noch ins Päffgen (altes Kölner Brauhaus). Wie ich diese Zeit vermisse kann ich nicht ausdrücken, ich merke nur daß mir beim Schreiben ständig die Sicht verschwimmt, woran das bloss liegen mag....
Nach seinem Tod habe ich versucht, seinen Stil zu kopieren, dazu fehlte mir aber das Format und tut es wahrscheinlich bis heute noch, und das ist okay. Ich hatte dann später, bei der Hausauflösung herausgefunden, daß sein Duft Pierre Cardin Pour Monsieur war (das muss so um 93/94 rum gewesen sein), und hatte ehrfürchtig einen von ihm angebrochenen Flakon übernommen, welcher aber nach einiger Zeit gekippt war. Danach hatte ich ihn Deutschland nicht mehr im Verkauf gesehen.

2018, güldenster vorstellbarer Herbst im Elsass, Supermarkt in Colmar: ich kucke im Vorbeigehen relativ desinteressiert an den Parfums vorbei und sehe - Pierre Cardin Pour Monsieur Eau de Toilette, ungläubig nehme ich den folienverschweissten Karton, drehe ihn vor meinen Augen hierhin und dorthin und kann nicht fassen, was ich da in Händen halte. Kurz gesagt: gekauft, geöffnet, Hals links rechts gesprüht - ZACK BUMM - totaler Flashback in die Zeit wie oben beschrieben und glücklich, glücklich, wenn auch mit Melancholie in der Erinnerung, natürlich. Und die Umgebung, das passte alles so dermaßen perfekt zur o.g. Erinnerung, goldener, warmer Herbst im Elsass, kleines französisches Landhotel mit fantastischen Essen (wie zur Hölle machen die das ?????), mittelalterliche Städtchen, da frage ich mich manchmal schon wie so eigenartige "Zufälle" zustande kommen, oder ob der liebe Gott einem da ne Schaufel Sand unter den Kiel schmeißt....

Der Duft: am Anfang sehr spritzig, leicht krautig frisch, schon mit einer für mein Empfinden sich deutlich ankündigender Würze und ich ahne schon das Leder. Am Anfang evtl. etwas anstrengend, jedoch niemals Klostein. Die Kopfnote hält bei mir locker (bei dem Batch den ich habe) 30 Minuten, schwindet dann recht zügig, wird blumiger und schnell wärmer und vor allem Leder, viel würziges Leder, aber edel, warm und leicht holzig. Nix für junge Leute, tragbar ab 40 würde ich sagen, der Duft kommt für mich aber auch leicht leger. Kein grauer oder schwarzer Anzug wie so ein T-Com-Klinkenputzer, bitte bloss das nicht, sondern gediegen geschäftsmäßig, gerne kariertes beiges oder sandfarbenes Sacko, auch oder gerade mit Lederflicken an den Ellbogen (bin natürlich auch mental "vorbelastet"), Hose kann sogar Jeans sein, das passt, schlanke elegante Schuhe in braun, Glatt- oder Wildleder. Krawatte kann, muss aber nicht. Lauf ich so rum ? Nein, aber trotzdem werde ich den Duft im Herbst wieder tragen, niemals im Job, sondern privat, für mich, in Erinnerungen schwelgend, wohl hauptsächlich an freien Tagen und Wochenenden, und natürlich wenn das Wetter und der Groove passen. Ist es in Bezug auf meine Erinnerung ein Opa -Duft ? Klares Nein, aber ein Mann mit einer gewissen Lebenserfahrung sollte man schon sein, sonst passt er einfach nicht.
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