Acteur 1989 Eau de Toilette

TheHavoc
11.01.2023 - 08:58 Uhr
7
4
Preis
7
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft

Die Namen aller Rosen oder: der vorgehaltene Spiegel

Maurice Maurin ist laut Parfumo nicht für viele Parfumkreationen verantwortlich, wenn er aber liefert, dann liefert er. So ist auch der fantastische "Bogart" von ihm, sowie Hermès' "Amazone", Gegenstand der Rezension ist hier aber natürlich der "Acteur" von Azzaro.

Als Acteur im Jahre 1989 erschien, tat er es ohne grosses Aufhebens, ohne Brimborium, Werbekampagnen habe ich keine wahrgenommen, oder sind von mir umbemerkt geblieben. Eben wie ein Schauspieler oder Star, mit dem niemand mehr gerechnet hat, plötzlich in der Szenerie erscheint - und allen durch seine blosse Präsenz die Show stiehlt.
1989 stand er plötzlich einfach und bescheiden in den Auslagen des türkisen D. Azzaro hatte, zumindest für mich, in Sachen Parfum schon damals einen Namen. Also zögerte ich nicht lange, betrat den Laden, sprühte mir den Acteur auf, nahm direkt 2x 100ml After Shave und ein 50ml Edt mit und zog von dannen. Das Ganze dürfte weniger als 1 Minute gedauert haben. Bei solchen Ikonen muss ich nicht lange zögern, noch bevor der Alkohol verflogen ist weiss ich Bescheid und habe mich entschieden.

Maurice Maurin zeichnet hier das Bild des Mannes in allen seinen Facetten als Rose. Diese Rosen kommen am Anfang bitter-herb-hell daher, im Duftverlauf wird diese stets leicht bittere Rose wärmer, dunkler und unglaublich sinnlich, durch die stets vorhandene Bitterkeit etwas melancholisch eingefärbt. Diese unfassbare Kunst der (damaligen) Parfumkreationen spiegelt sich auch hier wieder: wird - wie schon geschrieben - die Rose warm, dunkel und sinnlich, blitzt sie zwischendurch immer wieder wie am Beginn der Kopfnote bitter-hell-zitronig hervor, gemahnt den Träger indes nicht zu lange in Melancholie zu verweilen, sondern aktiv und mutig das Leben wieder in die Hand zu nehmen. Da wir häufig Düfte, Duftnuancen und einzelne Duftkomponenten mit Farben assoziieren, habe ich diese Assoziationen der Rosenvariationen, wenn ich Acteur rieche, unmittelbar im Kopf. Man muss sich hier klar machen, daß Maurice Maurin es geschafft hat, nicht ein Parfum mit EINER Roseninterpretation zu schaffen (Tschüss @ Tom Ford & Co.), sondern EIN Parfum mit allen möglichen männlichen Roseninterpretationen. Es sind dies:

-Rote Rosen für Liebe und Leidenschaft
-Rosarote Rosen in verschiedenen Abtönungen für Dankbarkeit und Bewunderung
-Gelbe Rosen symbolisieren Wärme und Glück
-Weiße Rosen für Klarheit und Eleganz
-Orangefarbene Rosen stehen für Enthusiasmus und Energie
-Lila Rosen für Bezauberung und Liebe auf den ersten Blick

Diese mit den Rosen assoziierten Farben sind im Duft nicht scharf gegeneinander abgegrenzt, sie gehen nahtlos ineinander über und wechseln sich immer wieder gegenseitig ab. Sowas macht mich schlicht sprachlos. Die in der Pyramide angegebenen Komponenten kann ich kaum einzeln identifizieren, höchstens mal die Zitrik, das Holz und das Leder, jedoch dienen sie alle ohne Ausnahme dem Weg der Rose. Maurice Maurin räumt mit diesem Duft ganz nebenbei auch mit den in der Gesellschaft verankerten Männerstereotypen auf, und ist somit gesehen, wie die Schaffer einiger anderer Überdüfte auch, seiner Zeit um Jahrzehnte voraus. Mann ist eben nicht nur Papi und Kohlereinbringer, nicht nur Muskelprotz und Sportskanone, nicht nur Potenzhengst, nicht nur rumheulendes Weichei, nicht die kalte berechnende Maschine, der alles ausser Karriere, Ansehen und Geld egal ist. "Und was hat das jetzt mit dem Namen des Duftes, nämlich "Acteur", zu tun ?" Alles: Mann liebt und ist leidenschaftlich, Mann ist dankbar und bricht sich keinen Zacken aus der Krone, wenn er den oder die ein oder Andere(n) bewundert und entsprechend Anerkennung zollt. Mann empfindet und spendet Wärme und Glück. Mann ist elegant, oder verkleidet sich eines Anlasses entsprechend. Mann ist enthusiastisch und energiegeladen, und hin und wieder auf den ersten Blick verliebt, Mann weint wie ein Schlosshund, zumindest wenn er genug Eier hat. "Hat immer noch nix mit einem "Acteur" zu tun".
Nein ?
Im Laufe eines Tages nehmen wir viele verschiedene Rollen ein, und nicht selten müssen wir uns quasi selbst schauspielern, je nachdem, wie es die Situation erfordert, und sich unsere Gefühlswelt nicht mit den Erfordernissen in Einklang bringen lässt. Denn der Träger dieses Duftes ist hier nicht derjenige, der handelt, es ist und bleibt der Duft selbst, der einem immer wieder die unterschiedlichsten Facetten vorspielt, und uns Männer und - ja, liebe Brüder und Schwestern (habt ihr ein Hallelujah ?) - auch den Frauen zeigt, daß der Mann vor allem eins ist:
Ein fühlender Mensch.
8 Antworten