Datura noir 2001 Eau de Parfum

Florecilla
24.10.2021 - 16:47 Uhr
33
Top Rezension
7
Preis
7
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft

Elixier des Teufels. Die Femme Fatale des Serge Lutens

„Datura fastuosa (Der schöne Stechapfel)“ – so heißt eine Erzählung von E.T.A. Hoffmann, einem der bekanntesten Schriftsteller der deutschen Romantik. In der Novelle geht es um einen naiven Jüngling namens Eugenius, der in die geheimnisvollen Machenschaften des teuflischen Grafen Angelo Mora verwickelt wird. Die titelgebende Pflanze Datura fastuosa spielt in der Intrige um Eugenius eine zentrale Rolle und wird in der Erzählung zum Symbol der Versuchung und des schönen Trugs.

Da E.T.A. Hoffmann zu meinen Lieblingsautoren zählt, konnte ich natürlich nicht umhin, den Duft auszuprobieren, dessen Name mich an die hoffmannsche Novelle erinnerte. Damals (vor einigen Jahren) wurde ich als allererstes von Parfumnamen hingezogen, nicht von Duftnoten. Wenn der Name mich ansprach und neugierig machte, musste das Parfum getestet werden. Und bei Serge Lutens-Düften fand ich die seltsamsten und faszinierendsten Wortkreationen! Nach vielen Tests sind vorerst drei Parfums von ihm nacheinander bei mir eingezogen – unter anderem das wunderschöne geheimnisvolle Datura noir.

Zweifellos hat sich Serge Lutens – genauso wie damals E.T.A. Hoffmann - von dem Ruf der Datura als einer narkotisierenden halluzinogenen Pflanze inspirieren lassen, von diesem „Teufelskraut“, das seit eher in der Alten und Neuen Welt in so genannten Hexentränken und Initiationsritualen verwendet wurde. Auch heute wird die Beschreibung dieses Nachtschattengewächses in jedem Nachschlagewerk mit dem Hinweis auf seine hohe Giftigkeit versehen.

Wurde denn der Duft diesem „teuflischen“ Ruf gerecht? Riecht das Parfum so, als würden seine blumigen Ingredienzen aus einem hoffmannesken Garten stammen? Der Duft gilt ja allgemeinhin als schwer, süß, blumig-opulent (was auf viele abschreckend wirkt), obwohl auch andere Stimmen auf Parfumo anzutreffen sind, die den Duft als hell, cremig und zahm beschreiben. Der Kreateur himself hat allerdings die Datura als die Verführerin des Zwielichts („séductrice du crépuscule“) betitelt und somit sind wir alle berechtigt, einen betörenden (gar sinnesraubenden) Effekt zu erwarten:)

Nun, der Datura Noir hat für mich diesen Effekt, aber auf eine subtile – ja eben zwielichtige - Weise. Er ist für mich die olfaktorische Verkörperung der Femme Fatale, eines Frauentypus, der seit der Antike in der menschlichen Wahrnehmung und somit in der Kunst und Literatur präsent ist (wie wir ihn zum Beispiel aus dem Film Noir der 40er Jahre kennen). Eine geheimnisvolle Frau, deren Schönheit rätselhaft und bedrohlich erscheint, aber immer beinahe hypnotisch anziehend ist. Eine Frau, die sich durch Intelligenz, gewisse Gefühlskälte, Machtstreben und Drang nach Selbstbestimmung auszeichnet und daher sehr oft als dämonische todbringende Verführerin wahrgenommen wird.

So ist für mich der Duft - weder schwer noch übermäßig süß, aber unverkennbar charakterstark und sehr attraktiv. Er ist blumig, aber auf eine wunderbar elegante und erwachsene Weise - und bitte erwachsen nicht mit reif verwechseln! Wie bei einem anderen Serge Lutens, den ich besitze, versagt hier mein auch ohnehin unzuverlässiger Duftnoten-Kompass – ich kann beim besten Willen nicht die genaue Abfolge von blumigen Noten und allen anderen Ingredienzen aufzählen, da diese hier so kunstvoll miteinander verwoben sind. Der Duft ist für mich auch keineswegs düster, sondern tatsächlich hell, oder besser gesagt transparent. Ja, er besitzt für mich trotz der warmen cremigen Noten eine gewisse glasklare Kühle, die ihn distanziert wirken lässt.

Er ist weder anhänglich noch oberflächlich, er ist nicht alltäglich, aber alltagstauglich, er schlägt keine großen Kurven im Verlauf, sondern bleibt seiner Linie treu ohne langweilig zu werden – all das dank seiner Komplexität und Anziehungskraft. Ja, er ist wahrlich eine Femme Fatale, früher als gefährliche Verführerin verschrien, heutzutage einfach eine Frau, die weiß, was sie will und ihren eigenen Weg geht:)

PS. Und was hat das letztendlich mit E.T.A. Hoffman zu tun? Nun ja, wahrscheinlich wird es euch nicht wundern, dass es auch in der besagten Novelle eine Femme Fatale gibt - als weibliches Pendant zur Datura aus dem Garten des geheimnisvollen Grafen - und zwar die wunderschöne mysteriöse Gräfin Gabriela, deren Reize dem armen Haupthelden beinahe zum Verhängnis wurden. Aber keine Sorge – er hat ihrer Faszination und hrer Verführungskünste entfliehen können. Ich bin der Anziehungskraft des Serge Lutens-Duftes allerdings restlos verfallen:)
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