Palonera
02.02.2019 - 14:15 Uhr
34
Top Rezension
8
Flakon
4
Sillage
6
Haltbarkeit
9.5
Duft

eine Pause von der Zeit

Selten ist mir ein Duft begegnet, der so sehr tiefstapelt.
Der sein Understatement bereits im Namen trägt, im so einfachen, bescheidenen, unprätentiösen.
"Incense Pure".
Weihrauch – weiter nichts.
Sollte man meinen.
Und liegt doch falsch – so sehr falsch.

Nichts ist einfach an "Incense Pure", nichts bescheiden, nichts geradeaus rechtslinks gestrickt.
Weihrauch – sicher doch.
Dichter, lichter, reicher, weicher, harziger, knarziger Weihrauch.
Der kalte, strenge Weihrauch der Kathedralen und Klöster, der warme, kontemplative meditierender Mönche, dicht daneben prasselnde Osterfeuer, heidnische Bräuche und Samhain, natürlich, das Nebeneinander von Fleisch und Geist, von Einst und Jetzt und Immerfort.
Klirrende Rauhnächte, Lagerfeuer, tanzende Leiber und klagende Trommeln, Erntedank im trockenen Heu.
Waldige Böden, knackendes Holz, besonnte Lichtung im finsteren Wald.
Alte Gewürzschränke, die eichene Bank.
Winterluft, ein Hauch von Schnee.
Gartenerde, gefroren, gestampft.
Altes, dunkles Gold, ein wenig matt – ein Ring vielleicht an alter Faltenhand.
Drei Könige im Morgenland, der Abend warm und mild.
Myrrhe, gar nicht mürrisch, kein Körnchen Zuckersüß.
Wärme, Handhautwärme, Armhautwärme, unschuldig beinah'.
Bin bei Dir, nicht in Dir.
Geborgenheit.
Ein kleiner Schritt Distanz.

Leise ist "Incense Pure" und dezent.
Dicht bei mir bleibt der Duft, wahrnehmbar nur jenen, die mein Arm von mir nicht trennt.
Mehr Aura denn Parfum, sehr viel mehr Ich als Du, als alle, alle Ihr.
Er macht nicht an, er macht mich heil, er erdet, richtet auf.
Er läßt Atemzüge und Gedanken fließen, dimmt das Licht und klopft den Herzschlag aus.
Eine Pause von der Zeit, der rasenden, raubenden, ein Besinnen auf das War, auf das Ist.
Und auf das, da bin ich sicher auch, was sein wird.
22 Antworten