Ambre Sublime 2010

Serenissima
25.01.2020 - 04:15 Uhr
23
Top Rezension
8
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft

"... wirf Gold und Silber über mich!"

Die Nacht hat wieder ein raffiniert gefaltetes Kunstwerk in meinem Gesicht hinterlassen:
Ach, könnte sie ihren Fingerchen doch anders beschäftigen, als mit dieser Art "Origami".
Noch während das Kaffeewasser zu kochen beginnt (ja, ich koche meinen Kaffee immer noch altmodisch mit dem Wasserkessel - dessen Geschmack lohnt es mir!), suche ich nach einem passenden Duft für diesen Morgen.
Denn eines ist mir gleich nach dem Wachwerden klargeworden: es muss ganz dringend ein barmherziger Schleier zwischen mich und den Spiegel gelegt werden!

So griff ich also nach "Ambre Sublime", eine großzügige Abfüllung von Stendhals Duft.
Hier finde ich das Wunderbäumchen, das ich bitte: "Bäumchen rüttle Dich und schüttle Dich! Wirf Gold und Silber über mich!" Als höflicher Mensch füge ich noch ein "Bitte" hinzu; so viel Zeit muss schließlich sein!
Sofort werde ich von einem zart duftenden Goldfilm umhüllt: es fühlt sich so zauberhaft an, dass ich beschließe, nun doch diesem Tag (wenn auch immer noch etwas trotzig!) ins Gesicht zu sehen.

Der aromatische Apfel, von der Sonne geküsst und deshalb so kräftig im ihm eigenen Duft, zeigt sich nur einen Augenblick allein. Denn fast sofort kommen Vanille und Zimt und laden ihn ein, mit ihnen zusammen zum Bratapfel zu werden: behagliche Wärme entsteht. Wie schön!
Bergamotte schaut vorbei, bringt Kardamom mit; sie parfümieren diesen Bratapfelduft zusätzlich.
Gefühlvoll dosierter Rosenduft - hier hatte jemand ein feines Händchen! - lächelt Prinzessin Neroli, der bekannten Seelenschmeichlerin, freundlich zu. Die beiden verstehen sich wunderbar und freuen sich merklich, als schließlich noch Ylang-Ylang für einen zauberhaften Dreiklang der Blüten sorgt.
Weich und balsamisch entwickelt sich dieser Duftfluss weiter; erinnert an feine Seife, in deren Schaum ich eintauchen möchte, weil in ihm ein Geheimnis liegt, das nie gelöst werden wird.
(Das muss es auch nicht: Geheimnisse sind so wichtig für das Leben! Es muss nicht alles zerfasert werden!)
So viel harmonisches Wispern und Lächeln ist der immer ein wenig störrischen Zistrose zu viel; ungeduldig stänkert sie ein bisschen mit ihrer stacheligen Würze, kann aber die bisherige Anmut von "Ambre Sublime" nicht stören.
So wendet sie sich Hilfe suchend der Würze ihrem Kumpel Benzoe zu: Ja, wenn sich Harz zu Harze findet!
Sandelholz und Patchouli erscheinen schließlich gemeinsam: warm, sinnlich, duftintensiv.
Ihr sattes dunkles Braun harmoniert gut mit der feinen Goldkomposition; ein bisschen kraftvoller, stabiler wird diese Schönheit nun.
Das ist auch nötig: denn Vanille erscheint noch einmal, diesmal recht powervoll. Sie kommt nicht allein!
Nein, Moschus und Tonkabohne begleiten sei: erotische Wärme und Süße machen sich breit, stoßen aber bei der Duftallianz, die Sandelholz und Patchouli inzwischen schlossen, an ihre Grenzen.
Nach einem kurzen Duftgemetzel hat dann jede der wohl doch für sich sehr eitlen Duftnoten ihren Platz in "Ambre Sublime" gefunden.
Eine elegante, körperlich reichhaltige Schönheit erstrahlt und verbreitet großzügig ihren Charme; sie zieht sofort in eine liebevolle Umarmung!
Eine Umarmung, die mir heute (huch! es regnet ja inzwischen auch noch) so sehr willkommen ist.
Ich gebe mich ihr ganz hin und träume mich, so zärtlich und kuschelig umfangen, fort aus dieser Wohnung, aus dieser Stadt.

Der wohlduftende Traum dauert doch einige Stunden an; ab und zu treffe ich einige Bissen aromatischen Bratapfel, um mich herum tanzen die Blütendüfte einen harmonischen Reigen und das balsamisch, sinnliche "Goldgewand", dass mir das Wunderbäumchen hier schenkte und in das ich dankbar schlüpfe, bleibt als eine gut geschneiderte und passende Hülle bei mir.

"Ambre Sublime" zeigt sich mir als ein moderner Orientale: nicht ganz so plüschig, so staubig (Iris wurde diesmal nicht eingeladen), so atemberaubend, wie viele anderen dieser Duftfamilie.
"Ambre Sublime" ist eine elegante Frau, die in sich ruht und so ihren Charme und ihre so selbstverständliche Eleganz gern auch mit einer anderen Frau teilt!
Das reiche Leuchten dieses Kunstwerkes gibt dieses Duftmärchen gern preis und lädt freundlich ein:
"Setz Dich zu mir auf eines dieser weichen Kissen und folge der Geschichte, die ich Dir erzählen werde!"
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