TL pour Lui 2003 Eau de Toilette

ThomC
10.04.2023 - 16:56 Uhr
4
10
Preis
7
Flakon
8
Sillage
7
Haltbarkeit
8.5
Duft

Der Diskobomber

Gern vergesse ich diesen Duft in der Ecke des Badezimmers und verstaubt unbeachtet. Sein Flakon ist ja auch keine Schönheit; ist nichts, was man bei Damenbesuch unbedingt als Blickfang da stehen haben möchte. Eher verstecke ich ihn. Aber warum eigentlich?

Im Rückblick kann ich das nicht sagen, auch nicht, warum ich ausgerechnet DEN gekauft habe. Glaube, es lag daran, dass ich mir damals Düfte von Parfümeuren zugelegt hatte, um deren stilistische Handschrift herauszufinden. In Falle des TL Pour Lui war das dann Maurice Roucel, das rauchende Urgestein unter den Parfümeuren Frankreichs. Cooler Typ, breite Visage, erinnert mich an Manfred Lehmann, dem Synchronsprecher von Bruce Willis. Und ich meine aufgeschnappt zu haben, dass Roucel mit zunehmender Berufserfahrung immer weniger einzelne Duftstoffe in seine Kreationen packte; sie also eher simpler, aber nicht unbedingt schlichter machte. Vielleicht ist das die Alterscoolness? Ein Minimalist wenn man so will und somit mein Bruder im Geiste.

Der TL Pour Lui ist jedenfalls so eine Kreation, die mich immer wieder in den Bann zieht. Die durchschnittlichen Bewertungen hier will ich jedenfalls nicht mitragen. Ja, das Zeug ist zuckrig, aber nicht mit Überdruss und unangenehm, denn sonst hätten meine sensiblen Zuckerantennen längst angeschlagen. Es ist diese merkwürdige, trocken-staubige Melange aus Lavendel, dem alten Rochas Man (auch von Roucel kreiert) und angenehm rauchiger Synthetik, die ihn zu einer Einheit zusammenschmelzen lässt und das an der Grenze zur Großartigkeit. Zumindest handwerklich astrein gemacht.

Okay, er ist ein Bomber für Clubbesuche, nicht unbedingt ein feinsensibler Bürogeselle. Er will stören, er will auffallen, er will abgrenzen. Dazu kommt die Ted Lapidus-typische Eigenständigkeit, mal wieder. In einem früheren Statement habe ich ihn mit dem ollen Le Mâle verglichen, aber das kommt mir zu kurz und nehme es wieder zurück; zumal ich mittlerweile den TL Pour Lui vorziehe, weil ich ihn ausbalancierte sehe und seine DNA nicht so abgedroschen ist wie die des großen Klassikers von Gaultier. Dürfte ich mir zwanzig Düfte für die einsame Insel aussuchen - der TL Pour Lui wäre sicher dabei; der Le Mâle müsste Zuhause bleiben. Noch Fragen?

Ich mag ihn einfach, dieses leicht überzeichnete Charakterschwein. Passt ja auch zum Stile des Maurice Roucel, der mit Kreationen wie "Musc Ravageur", Nauticas "Voyage" und Bogarts "Pour Homme" immer wieder ziemlich dicke auffällige Dinger kreiert hat.
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