Private Blend

Tobacco Vanille 2007 Eau de Parfum

Elisandra
25.03.2013 - 09:12 Uhr
17
Top Rezension

Tür auf, rein, Tür zu. Geniessen.

Ich sage jetzt mal was Grundsätzliches, was vielen vielleicht nicht gefallen wird, aber nach reiflichem Überlegen ist das meine wohl durchdachte Meinung.

Der klassische Aufbau eines Parfums in Kopf-Herz und Basis Noten mag vielen antiquiert erscheinen, doch hat er durchaus seine Berechtigung. Das Rad ist das Rad, es wurde bereits erfunden und war auch schon vor geraumer Zeit auf seinem Zenit.

Der Aufbau des klassischen Parfums ist wie ein Menü. Eine leichte, anregende Vorspeise, die Lust auf den Hauptgang macht, der Hauptgang, der reichhaltigste Gang, bildet das Herzstück, dannach noch eine schöne Nachspeise, die das kulinarische Erlebnis krönt und ausklingen lässt. Meinetwegen auch mehr Gänge, aber immer nach diesem Prinzip. Kurzum, ein auf einander aufbauendes Gesamterlebnis, eine wohl durchdachte, sich aufeinander beziehende Komposition, die auch mal gekonnt Kontrapunkte setzt. Das natürlich im besten Fall.

Nicht jedes Lebensmittel eignet sich als Dessert, nicht jedes als leichte Vorspeise oder "Amuse Bouche". Tischt man am Anfang zu schwer auf, ist der Apetit gleich dahin, der Magen zu, bevor es überhaupt losging.

Um endlich zu "Tobacco Vanille" zu kommen, und ja, ich finde es lecker, toll, aromatisch, berauschend und schön, dieses Parfum besteht aus Desserts und ausschliesslich diesen in allen 3 Gängen, inclusive Zigarre und Cognac dannach (Gottseidank fehlt der Käse ;)

Von Anfang an ist man auf der Basis, und die ist für mich in etwa so: Opas leckerer Kirsch-Pfeiffentabak, da habe ich immer gerne dran geschuppert. Das alles in einem alt-ehrwürdigen Raucherzimmer mit Polstern und alten Eichenmöbeln, die sich mit Holzpolitur, edlem Tabak und Alkohol vergangener Tage vollgesogen haben, ein klassisches "Herrenzimmer" das auch Frauen lieben. Voller guter alter Dinge, Bilder, Bücher, Gespräche, Schnäpse...

Auf dem Tisch ein Stück köstlich dunklem, gewürztem, warmen "Herrenschokoladen" Kuchen mit einem Löffel Amarenakirschen oben drauf. Daneben Gläser mit altem Armagnac und Cognac, die Pfeiffen und die Zigarren glimmen vor sich hin, die alten Herren führen philosophische Gespräche über Gott und die Welt...ich, noch klein, sitze daneben und lausche ergeben.

Tatsächlich erinnert mich "Tobacco Vanille" an diese Kindheitseindrücke, wenn Oma und Opa mit ihren Freunden nachmittags plauschend zusammen sassen. Eine sehr angenehme Erinnerung ist das. Diese Menschen, meine Grosseltern und ihre Freunde sind alle nicht mehr da, und mit ihnen ging auch ein Menschenschlag und Lebensgefühl.

Vielleicht ist "Tabacco Vanille" ein Flaschengeist, der diese Momente hervorholen kann. Nach Tagen noch riecht alles, war ich damit besprüht habe nach diesen Erinnerungen von Tabak, Schokolade und teurem Schnaps, dieser kuscheligen Gemütlichkeit.

Man ist bei diesem Parfum sofort in "medias res", ein paar Spritzer und man sitzt ohne Vorgeplänkel in diesem (Zeit) (Lebens)Raum. Tür auf, rein, Tür zu. Schön, heftig, einnehmend und sehr direkt.

Nicht mehr, und nicht weniger.

Dennoch finde ich den klassischen Aufbau irgendwie spannender, raffinierter und gekonnter. Ein bisschen mehr "Vorspiel" hätte dieser edlen Komposition sogar gut getan. Ich möchte jetzt nicht weitere Analogien bemühen...und nicht mehr herummeckern.

schön wars trotzdem ;)Und ich werde es wieder tun.
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