Lost Paradise 2014

Ttfortwo
30.03.2021 - 11:47 Uhr
35
Top Rezension
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft

Osmanthus, ganz anders


Wir saßen im südfranzösischen Hochsommer im Innenhof einer Wehrburg-Ruine. Mir will übrigens beim besten Willen nicht mehr einfallen, wo das gewesen sein könnte, es tut auch nichts zur Sache, aber es duftete kopfschmerzgefährlich überwältigend aus den abertausenden winzig kleiner orangefarbener Blüten eines bildschönen Strauches mit sattgrün glänzenden Blättchen. Der Duft war überaus intensiv süß und kräftig, fruchtig, ich war hingerissen und knipste mir heimlich ein Fexerchen ab, in der Hoffnung, es vielleicht zum wurzeln bringen und auf diese Weise mit nach Hause nehmen zu können. Bis mein Mann meinte, ihn erinnere der Duft ein wenig an Klosteinchen. Bämm! Klosteinchen!

Und so bekam mein Verhältnis zum Osmanthus schon nach kürzester Zeit einen mächtigen Knacks.

Und mein nicht übermäßig leidenschaftliches, gleichwohl bislang ungetrübtes Verhältnis zu Fragonards „Ile d’Amour“, einem unspektakulären und eher in die frische Richtung gehenden Duft mit Osmanthus als Kernnote, auch. Ich habe ihn seither nicht mehr getragen.

Heute trage ich „Lost Paradise“, Marie le Febvres Hommage an die ungezügelten, hemmungslos draufballernden Düfte der 80er mit einer mächtigen Portion Osmanthus.

Es ist eine sehr le-febvreske Hommage und damit: Schlank, transparent, schwebend. Der Duft kopiert nicht, nein, der Duft beschreibt die 80er-Düfte und tut dies mit leisen, melodischen Worten. Das ist nicht der 80er-typische pastöse, kompakte Pinselstrich, statt dessen tuscht sie ein federleichtes Aquarell auf nasses Papier.

Ich muß zugeben, daß ich mir mit Düften von Frau Le Febvre manchmal etwas schwer tue. Ihre ohne jede Frage vorhandene Schönheit erschließt sich mir eher über etwas, was ich jetzt mal einen intellektuellen Zugang nennen möchte, weniger über einen sinnlich-gefühlsmäßigen. So geht es mir auch bei „Lost Paradise“.

Der Einstieg besticht durch eine ganz federleichte pfirsichsamtige Fruchtigkeit, weich, sonnig, zartsüß, weit entfernt von der anbiedernden bräsigen Kompottigkeit, die mir so viele fruchtige Düfte von vorneherein verleidet. Dazu ein klitzekleines zitrisches Funkeln und ein bißchen Kraut, das ist wunderschön luftig hingetupft und wird mit einem lose darübergeworfenen samtig-goldgelben Band (der Jasmin?) am Davonschweben gehindert.

Das muß man erst mal so hinkriegen: Eine Krawallnote wie Osmanthus so einzubinden, daß sie geradezu zerbrechlich wirkt.

Im Laufe der Zeit kommt eine zarte Wärme dazu, eine ganz weiche Würze stützt das bisher äußerst fragile glasige Gebilde behutsam von unten. Der Duft wird dadurch etwas stabiler, die Farben etwas intensiver. So verharrt der Duft längere Zeit, eiderdaunig, still, freundlich.

Und verblasst dann ganz langsam in dieser freundlichen samtpudrigen friedlichen Wärme.

Und die Klosteinchen? Ich hab sie natürlich wahrgenommen, osmanthös gesehen bin ich wohl verdorben für alle Zeit. Sie haben mich aber – und das ist ein ganz großes Kompliment an diesen sachten Duft - nicht gestört.

Das ist doch schon mal was.

Vielen Dank an FvSpee für das Pröbchen :)
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