ElAttarine
08.01.2024 - 11:34 Uhr
21
Top Rezension
7
Sillage
7
Haltbarkeit
8.5
Duft

Zephir und Eros

Ich bin allein. Die einsame Wanderung führt durch einen mediterranen Bergwald. Es ist noch sehr früh im Jahr, die Luft ist kalt im Schatten. Wenn die Sonne auf mein Gesicht fällt, wärmt sie. Und sie lässt die Piniennadeln und -harze endlich wieder ihren Duft verströmen. Der schmale Pfad verläuft auf trockenen Nadeln, langsam steige ich ab in Richtung Meer, manchmal blitzt es schon durch die Büsche. Der milde Frühlingswind berührt zärtlich mein Gesicht. Es ist so schön, dass mein Herz schmerzt. Fast reicht der Brustraum nicht aus, um die aufsteigenden Gefühle zu fassen… O komm doch, komm zu mir, lass mich nicht länger warten… Lass mich nicht länger allein mit meiner Sehnsucht… Mir laufen die Tränen, ich lasse sie einfach kommen und steige weiter ab. Meine Beine und Hüften streifen durch Myrtenbüsche. Ich halte inne und lehne mich an einer Zypresse an. Weiter unten sehe ich silbrige Lavendelsträucher in den Gärten über der Küste. Später im Jahr werden sie blühen… Und dort unten in den Gärten sind auch die Zitronen während der Winterkühle gelb geworden, sie leuchten in der Sonne. Dort unten ist auch das Gras schon leuchtend grün. Wie schön ist das alles und wie schmerzvoll. Ich lache und weine gleichzeitig.

Wer sind Zephir und Eros?
Zephir ist der „vom Berge kommende“, der Frühlingsbringer, ein milder freundlicher Westwind. Er ist ein Sohn des Titanen Astraios, der ihn mit der Eos, der Göttin der Morgenröte, gezeugt hat. Die griechische Mythologie ist nicht immer ganz widerspruchsfrei, was die Verwandtschaftsverhältnisse angeht… Aber nach Alkaios von Lesbos, der einen nicht wirklich jugendfreien Hymnos auf Eros geschrieben hat, sind der goldgelockte Zephir und Iris die Eltern des Eros. Und Eros? Eros bedeutet so tiefe Sehnsucht, dass es nichts Schöneres und nichts Schmerzhafteres gibt. Eros verkörpert das Begehren schlechthin, das Begehren von etwas Fehlendem, das ich schmerzlich vermisse. Dass ich mir etwas sehnsüchtig wünsche, von dem ich selber weiß oder gesagt bekomme, dass ich es (oder ihn oder sie) nicht erlangen kann. Und gerade deswegen ist das Begehren so stark und so intensiv - und so schön in sich selbst. Aber auch fürchterlich schmerzhaft…

Bitte verzeiht die Belehrungen - zurück zum Duft: Nach einem kurzen recht alkoholischen Beginn wird es direkt herb-grün-würzig: Kiefernnadeln! Dazu schnuppere ich leichte bittere Zitrusnoten, später kommen auch dezenter Lavendel Vetiver durch. Holzige Noten machen das Ganze später etwas weicher, der Gesamteindruck bleibt aber herb.
Der Duft ist ganz toll komponiert und verkörpert das ganze Sehnen des mediterranen Frühling, für mich gefasst in den Figuren des Zephir und des Eros.

Komm doch!

Zefiro Torna, oh di soavi accenti!
https://www.youtube.com/watch?v=rKqCBOKZb8k

Und vielen lieben Dank an @BeJot für die Probe.
37 Antworten