ElAttarine

ElAttarine

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1 - 5 von 33
ElAttarine vor 8 Tagen 31 54
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10
Duft
Diese Sünde führt in den Himmel
Genial: Hier führt „meine Sünde“ nicht etwa ins Verderben, sondern direkt in den Himmel, in einen sehr sinnlichen Dufthimmel jedenfalls. Was braucht es da noch einen anderen?
Das Wort „Sünde“ (Sin) hat nichts mit Sinn oder Sinnlichkeit zu tun, sondern mit „sondern“, sich absondern, sich verschließen. Insofern wäre es gerade Sünde, die Sinnlichkeit zu ignorieren oder wegzuschieben! Beim Theologen und Mystiker Teilhard de Chardin gibt es die Auffassung, die Verfeinerung der Sinne sei eine göttliche Aufgabe. Also alles fühlen, schmecken, sehen, riechen, erleben, so intensiv es nur geht… Dazu lädt mich dieser Duft ein.
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Schon das Prickeln der Kopfnoten lässt mich den Duft geradezu fühlen. Später wird er soo sinnlich-pudrig, dass ich immer mehr mit und auf meiner Haut fühlen möchte und gar nicht genug bekommen kann… So wie glatte trockene Seide auf der Haut, die eine gewisse Schwere hat, aber ganz sanft über den Körper gleitet wie eine zärtliche Berührung. Der hier verwendete Jasmin und Ylang-Ylang erzeugen ein geradezu taktiles Geruchserlebnis, wie weiche Lippen, die warme Haut berühren.
Und ich stelle mir vor, kostbaren Blütennektar von Deinen Lippen zu schmecken… Den Duft Deiner Haut buchstäblich zu trinken und zu kosten…
Für die Blicke gibt es viele schöne alte Werbebilder; viele von ihnen zeigen eine schwarze Katze, zuerst als Zeichnung, später als Fotografie, immer mit geheimnisvollem Blick, manchmal regelrecht lauernd. Auf den Fotos sieht das schwarze Fell so aus, dass ich es am liebsten streicheln möchte, aber nicht ganz sicher sein kann, was dann passiert…
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Meine kostbare Version ist das EdT von 1969… Starke Aldehyde habe ich nicht am Anfang, aber schönen Muskatellersalbei und ein wenig dunkelherbe Zitrusschalen und Neroli. Recht bald kommen Blüten, und was für welche… wunderschöner Flieder auf jeden Fall, Narzisse, weicher Jasmin, Maiglöckchen, ein ganz klein wenig Rose, so dass ich die bunten Farben eines üppigen großen Blumenstraußes vor Augen habe. Später tritt durch die Körperwärme das extrovertiert-leuchtend-Fröhliche nach und nach zurück, es wird zunächst indolisch, üppig, überreif, dekadent, und dann immer pudriger mit sehr schöner Iriswurzel. Und wieder denke ich an weiche Haut. Die Gewürznelke ist hier wirklich würzig-nelkig, nie stechend, durch Styrax wird es harzig, später habe ich trocken-pudrige unsüße Vanille und weichen feinen Moschus. Sehr holzig wird es bei mir nicht; die manchmal (wegen des aldehydischen Beginns vor holzigem Hintergrund) angegebene Referenz "Bois des Îles (Eau de Toilette) | Chanel" kann ich nicht bestätigen. Eher schon die Verwandtschaft zu "Narcisse Noir (Eau de Cologne) | Caron" , wegen der schönen zibetfarbenen Blüten. Wegen dieser wunderbaren animalischen Blumen verstehe ich, dass der Duft seit 1924 als „most provocative perfume“ beworben wurde.
My Sin ist dermaßen sinnlich, dass es damals sicher schockierend war. Er ist umwerfend animalisch. Fast möchte ich sagen, es ist ein sehr sexueller Duft, ja, sogar geil – aber diese Worte passen wiederum nicht zu seiner Raffinesse.

Er ist sehr komplex – und doch ganz einfach.
Leicht wie Seidenwäsche, schwer wie sehnsüchtiges Begehren.
Wild und in feinster Weise raffiniert.
Ein blumiges Tier.
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„man muss sehen, berühren, im Gegenwärtigen leben, die Existenz heiß inmitten der Wirklichkeit selbst trinken. […] Du brauchst Öl für deine Glieder – Blut für deine Adern – Wasser für deine Seele – […]. Bade dich in der Materie [...]. Tauche in sie ein, dort wo sie am gewalttätigsten und am tiefsten ist! Ringe in ihrem Strom und trinke ihre Flut! Sie hat ehedem dein Unbewusstsein gewiegt – sie wird dich zu Gott hin tragen!“ (Teilhard)
Komme, was da wolle. Koste es, was es wolle.
Ja!

Diese Rezension hab ich mir für heute aufgehoben. Ihr Lieben, heute gibt es die Sinnlichkeit zu feiern! Zum einen ist dieser Duft von 1924 in diesem Jahr 100 Jahre alt. Und ich wünsche Euch allen heute Nacht einen wunderbaren Übergang in den Mai… ganz ruhig, oder fröhlich-gesellig, oder ausschweifend, wie auch immer!
54 Antworten
ElAttarine vor 17 Tagen 34 65
9
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft
Dunkles Harzwesen aus dem Feuer
Hier brennt ein absolut dunkles Feuer und raucht vor sich hin…
Ich sehe einen riesigen Kessel auf diesem Feuer, in dem bittere Wurzeln, Harze und Baumrinden in einem Sud vor sich hin kochen und blubbern… Das Brodeln verstärkt sich, immer mehr Blasen und Raum steigen auf, und aus dem Kessel erhebt sich aus diesem Rauch ein geheimnisvolles riesiges Harzwesen und breitet majestätisch seine Schwingen aus… Es schüttelt sich trocken und scheint dabei noch größer zu werden. Obwohl ich großen Respekt vor ihm habe, fühle ich mich wortlos eingeladen, mich an den Schwingen des Flügelwesens festzuhalten, auf seinem Rücken zu reiten und mit ihm zu fliegen in und durch die rauchende Dunkelheit… Tief unter uns, ganz tief unten, blühen Blumen, deren Duft vom Rauch zu mr getragen wird, irgendwo kocht und dampft auch süßbitteres Nardenöl. Von grünen Wiesen sehr tief unten steigen Galbanumdüfte hoch… Jetzt stoßen wir im Flug nach unten, und aus dem Meer tauchen Wale auf, die sich vor dem dunklen König der Lüfte und der Harzabgründe verneigen…
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Dieses dunkelgrüne Elixier hat es in sich und überhaupt gar nichts mit dem zu tun, was manche hier vielleicht als Millefleurs-Blümchen assoziieren würden.
Startet herb-bitter, Rauch-Würze-Harze. Sehr bittere Medizin, Wurzeltinkturen, aber nicht nur, durch die Rauchnote. Schön würziger Kreuzkümmel. Zedernharz, Teer.
Später wird es trockener und dunkles Ambra kommt zum Vorschein. Die Würze wird weniger dicht und gibt mehr Nuancen frei: ganz leicht süßliche Narde, ein wenig Galbanum. Im Drydown schönes würzig-dunkles Patchouli und Moos. Ich bin faszinierend ob dieser dunklen Dynamik und dem Reichtum an rauchigen, animalischen, harzigen und würzigen Noten.
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Gerne möchte ich aus der Beschreibung im Onlineshop zitieren, weil ich sie so passend finde: „Felle, Wale, ein Stall am Strand. Tiefe Rauchigkeit, viel Würze. […] Blubbernde Harze, Kiefernharze, Birkenharze, Tannenharze, Zedernharze, Oudharze! Kreuzkümmel schwebt durch Balsame. Weit entfernt sind Blüten. Weit. Torfrauch, Feuer, Salz. Kann Salz brennen? Medizinische Wurzel-Tinkturen. […] Humus Calamus. Angelika mit Galbanum im Patchoulisud. Nagarmothismus. Tonscherben. Sauerei.
[…] Und Felle. Biberfelle auf Moos ausgebreitet.
Wahrlich kein Duft für Zartbesaitete.
Für alle Leute, welche meine Essences - Millefleurs Reihe noch nicht kennen:
Die Millefleurs sind anders aufgebaut als meine ‚normalen‘ Kreationen.
Während eines Jahres sammeln sich hunderte von guten Akkorden bei mir an. Diese werden passend und sorgsam von mir geblendet und machen ca. 50-60% eines Millefleurs aus. Der restliche Inhalt wird meist in der letzten Woche des Jahres, nur der Nase nach, mit hochwertigen Ölen, Tinkturen, CO2 Auszügen und Absolutes aufgefüllt. Keine Waage, keine Notizen, keine Reproduktion.“
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Achtung: Mein Statement unter "Essences - Millefleures Dark | N•O•A•M"
galt dieser 2023er Version, die aber noch nicht gelistet war. Hätte es schade gefunden, die Diskussionen dort wieder zu löschen.
Mit meiner Faszination für Rauch und Feuer freue ich mich sehr, einen der Flakons ergattert zu haben und immer wieder in diese faszinierende Welt eintauchen zu können… Der Flug dauert einige Stunden.


65 Antworten
ElAttarine vor 19 Tagen 25 48
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Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft
Dein Stern
Stell Dir vor…
Ganz weit oben in der unendlichen Weite des Himmels steht Dein Stern, der Dich aus namenloser Ferne umscheint… Du kannst Dich in Deinem Scheitelpunkt für diesen Glanz öffnen… Von dort streut er Zaubersilberpuder über Dir aus und umglänzt Dich…
Stell Dir vor…
Aus dem Sternenpuder werden zarte Silberfäden, die bis zu Dir reichen und seidene Irisblütenblätter freigeben… Sie sind seidig, aber auch fleischig… Hast Du schonmal Irisblüten beim Aufblühen zugeschaut? Sie ziehen Wasser aus der feuchten Erde und werden immer saftiger, bis sie schließlich reif dafür sind, sich zu öffnen…
Stell Dir vor…
Ja, es war Dir kalt geworden hier unten, und Deine Haut und Deine Wangen sind hell und blass. Aber es sinkt ein Hauch von Rosenblüten aus dem Himmel zu Dir, und auch Deine Wangen dürfen sich wieder röten… Eine zarte Freude keimt in Dir auf und wird zu fast britzligen Mimosenpollen in einem inneren Lächeln Deiner Seele.
Stell Dir vor…
Nachdem die Blütenblätter wieder abgeglitten sind von Deiner Vanillehaut, umhüllt Dich nun eine balsamische, leicht rauchige Benzoewolke und gibt Dir Schutz… Du bist ganz eingehüllt in ein ganz tiefes und doch immer noch helles Getragensein… Lass Dich fallen und hinsinken… auf den Grund aus Sandelholzspänen und weichem Moschusstaub…
Stell Dir vor…
Auch Du bist ein Silberengel aus dem Himmel. Irgendwann kommt die Zeit, und auch Du wirst Engelsstaub und kehrst zu Deinem Stern zurück.
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Dieser Duft mit klarer Handschrift der (älteren) Bianchis trägt für mich seinen Namen zu Recht. Hier geht es um Engelsstaub. Aber für mich ist die Assoziation weniger die Mätresse, die, wie es bei Francesca Bianchi heißt, in „einem staubigen Boudoir vergangener Zeiten“ Gesichtspuder und Lippenstift aufträgt, während sie auf die Ankunft ihres Liebhabers wartet.
Ja, dieser Duft ist wunderschön sinnlich. Aber die Dekadenz ist für hier mich weniger eine des Rokoko mit Puderquasten und vielen Makeup-Schichten oder der gerissenen und sich am Ende überschätzenden Glenn Close in „Gefährliche Liebschaften“, sondern eine helle, am Anfang ganz durchsichtig-silbrige, die später etwas erdiger-fleischlicher wird, und herzzerreißend an die Fragilität und silbrige zartsüße Zerbrechlichkeit des Lebens gemahnt. Und ja, der „Puder-Iris-Rosen-Teil [wird] durch eine Mischung aus Harzen abgemildert, die eine schmutzig erfahrene Sinnlichkeit darstellen“, aber selbst das, was man schmutzig-erfahren nennen könnte, bleibt zugleich unschuldig und fein.
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Der Anfang ist silbrig, puderig, durchsichtig, bevor der Duft allmählich greifbarer wird.
Faszinierende Iris kommt deutlich dazu, zuerst auch pudrig-trocken, dann seidiger, blumiger, dann pflanzlicher (butterig, wurzelig, feuchter-erdig). Ein kleiner Hauch von Rose und eine schöne Mimosen-Note mit einer kindlich-unschuldigen, fast fröhlichen Idee von Blütenpollen. Irgendwann treten die blumigeren Aspekte zurück und lassen balsamische Noten durchkommen. Benzoe mit einer balsamischer, leicht rauchigen Wolke (deren Süße ich durch die Zartheit gut ertragen kann), Vanille tritt kaum hervor, sondern verstärkt mit Tolubalsam die Tiefe und Substanz, aber auch diese Tiefe bleibt für mich hell. In der Basis habe ich Sandelholz und Moschus, immer noch eher hell und fein.

48 Antworten
ElAttarine vor 27 Tagen 27 53
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9.5
Duft
Getragen vom Vanilleleuchten
so mutlos meine Seelenflügelchen…
so kraftlos manchmal mein Herz…
im Dickicht verfangen
was bin ich wirklich
ist alles Täuschung
wo ist Halt
Du zeigst mir ein Vanillelicht
legst mir einen schützenden Mantel aus Weihrauchkraft um
stärkst mich mit Styrax im Rücken
legst mir Irispuder zu Füßen
stellst mir Zibetkräfte zur Seite

Zum ersten Mal teste ich hier einen Duft, bei dem Vanille prominent angegeben ist, und bewerte ihn auch noch positiv. Das ist für mich eine kleine Sensation, laufen Vanilledüfte doch bei mir in der Regel Gefahr, plakativ bonbonsüß und/oder muffig zu werden. Beides ist hier nicht der Fall! Die hier und auf der Prada-Homepage gelisteten Noten (Vanille – Styrax – Weihrauch – Amber) lassen vielleicht einen eher schlichten amberigen Duft erwarten, aber das wäre vollkommen falsch. Der hier ist sehr komplex und schön gemacht und überrascht mich immer wieder aufs Neue. Andere Quellen listen außerdem noch weitere Inhaltsstoffe auf, die meinen Geruchseindruck bestätigen – ich hatte schon an mir gezweifelt und gedacht, ich bilde mir die alle ein.
Genau diese Verunsicherung, ein gewisses haltloses Schweben und dann doch Getragensein scheint mir das Thema dieses Duftes zu sein: ein Vanilleleuchten in Verunsicherung und Haltlosigkeit.
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Er beginnt bei mir mit einer amberigen Vanille, die schon am Anfang eine Art Leuchten hat und auch etwas ganz zart und beschwingt zitrisch-Frisches. (Ich dachte zuerst, ich täusche mich, aber manche Quellen listen auch Bergamotte.) Dann wird es im weiteren Verlauf dichter und tiefer, harzig-pudrig-süßlich. Die Helligkeit des Anfangs bekommt einige Schatten. Ich nehme eine zarte, aber sehr dunkle Ledernote wahr, außerdem vermute ich hier auch Ambra mit seiner leichten Animalik, die ja typischerweise zum Thema Dunkelheit/Licht beiträgt – wie ich es vor allem aus den Düften von Annette Neuffer kenne. Und ich würde tippen, dass irgendein Oud auch mit dabei ist. Manchmal zeigt es sich schon kurz nach dem Aufsprühen, aber nicht immer. Die leichte Animalik wird durch etwas Zibet verstärkt, da bin ich mir recht sicher. Hier gewinnt der Duft geradezu Vintagequalitäten mit seiner – ja, soll ich es Opulenz nennen? Es ist eine gelungene moderne und etwas leichtere Interpretation von Vintage-Opulenz.
Der Weihrauch ist vorhanden, bleibt aber Teil dieses Hell-Dunkel-Geschehens und tritt nicht als eigene Note hervor. Und ich kann mir vorstellen, dass bei der Pudrigkeit auch etwas Iris mit im Spiel ist. Also: „Marienbad“ ist ein sehr komplexer, sehr gut gemachter Duft. Die Bestandteile erzeugen ein lebendiges Ganzes, so wie unterschiedliche Schichten, die sich miteinander verflechten und immer wieder einander und Neues freigeben.
(Mit den Arbeiten von Daniela Andrier habe ich mich noch nie beschäftigt – sehe jetzt erst, für wie viele große Häuser sie gearbeitet hat. Dem muss ich bei Gelegenheit auch nochmal nachgehen.)
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Dieser Duft hat damit für mich drei thematische Facetten:
Zum einen, was sich als barock oder opulent beschreiben ließe und mich an Vintagedüfte denken lässt. Auf der Prada-Homepage wird er als „barock“ und „dekadent“ bezeichnet, was es für mich nicht ganz trifft – eher sind es die besagten Vintageanklänge in moderner Interpretation. Wenn man will, lassen sich hier Parallelen zur Bäderarchitektur des 19. und frühen 20. Jahrhunderts finden, die in Marienbad/Tschechien mit der Pracht der klassizistischen und Jugendstilbauten erhalten worden ist.
Zweitens nehme ich als Thema des Duftes die Schwierigkeit wahr, Wirklichkeitseindrücke zu objektivieren. Das wird durch das Helle, Schwebende, Neblige des Anfangs evoziert, sowie durch die Interaktion der Inhaltsstoffe, die sich jedesmal neu entfaltet. Hier lassen sich Anklänge zum Film „Letztes Jahr in Marienbad“ (1961) herstellen, der die Frage thematisiert, was meine Erinnerung an vergangene Lieben und Verletzungen „zutreffend“ macht. Hier geht es um Liebe, um Seelentiefen, Verwirrrungen, um die Fragen, was wirklich ist und was ich wirklich will. Diese Fragen bleiben im Film ungelöst, es bleibt die Unklarheit bestehen.
Zum dritten ist es die Hell-Dunkel-Thematik, die hier wunderschön umgesetzt ist. Der Duft beginnt zunächst hell und licht, und dann entfaltet sich die Dynamik zwischen Licht und Schatten, zwischen Illusion und Klarheit.

Lieben Dank an @FrauKirsche für die Probe und Euch beiden, liebe @FrauKirsche
und @Can777 , für Eure schönen Vorstellungen des Duftes, ohne die ich ihn nicht probiert hätte, das wäre ein Jammer gewesen. Jetzt steht er auf der Wunschliste.
53 Antworten
ElAttarine vor 1 Monat 26 42
8
Sillage
8
Haltbarkeit
9.5
Duft
Into Darkness
Es ist fast dunkel. Ein kleiner Rest Halblicht ist noch da. Ich habe den Riad und die rote Stadtmauer weit hinter mir gelassen. Meine bloßen Füße mit dem dunkelrotem Nagellack spüren das weiche Moos und die Erde unter den Fußsohlen. Das zarte Gras kitzelt an den Fesseln. All meine Sinne sind wach und gespannt. Ich lausche in die Dunkelheit… Als ich an den Bienenstöcken am Rand des Gartens vorbekomme, umfängt mich der Duft des dunklen Waldhonigs. Bevor ich das leichte Kleid übergeworfen hatte, habe ich noch das Fläschchen mit dem Öl geöffnet, von dem Du sagtest, der Zeitpunkt wolle gut gewählt sein… Das Elixier darin schien zu pulsieren… Von irgendwo trägt ein Lufthauch den Duft der Veilchen her, die sich im Dunkeln verströmen. Und ich meine, noch den Atem Deiner Haut zu spüren, als Du vorhin vorbeigegangen bist. Ich weiß ganz klar, sie haben alle gesagt, ich solle Dir nicht folgen… es sei gefährlich… könne unabsehbare Konsequenzen haben… Aber jetzt setze ich Schritt für Schritt auf dem mit weichen Zedernholzspänen bedeckten Pfad, der sich zwischen den Bäumen in Richtung Wald zieht. Mein Herz klopft. Als sich Weihrauchfäden zwischen den Bäumen zu mir bewegen, wird die Restsicht immer schwieriger, dafür schärfen sich Tastsinn und Geruch. Ich schwitze, obwohl ein Lufthauch vorbeizieht. Und obwohl es so dunkel ist, nehme ich doch nochmal dunkler den Schatten Deiner geschmeidigen Gestalt vor mir wahr… Und schon ist er meiner Wahrnehmung wieder entzogen… War dort ein wehender Umhang? Und kann das sein, dass sich da auch Hörner abzeichneten? … Lass mich Deine honigsüße Haut kosten… Wo bist Du?
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Wer hatte hier noch gleich geschrieben „Honig ess ich lieber“? Egal, was schert mich mein Geschwätz von gestern, dieser dunkle Honig ist großartig. Hier kommt mir wohl zugute, dass meine Haut Düfte eher abschwächt. Während andere schreiben, dass sie vorsichtig dosieren müssen, habe ich zuerst vorsichtig getupft, dann etwas großzügiger, dann habe ich die Probe geöffnet und mir alles komplett auf den Hals getropft. Wunderbar. Und klebrig ist er bei mir auch nicht! Sondern weichpudrig, sehr sinnlich, sehr dunkel.
Teuflisch-verlockend.
Beim vorsichtigen Test kam als erstes der dunkle Honig zum Vorschein, danach nach und nach die Gewürze, Styrax und etwas leicht Blumiges. Beim zweiten Tragen und etwas größerer aufgetragener Menge ist sehr schön herbes Zedernholz vorne mit dabei und ein feiner Hauch dunkles Patchouli. Veilchenblüten erkenne ich jetzt auch deutlich. Und immer mal wieder habe ich auch etwas Weihrauch, nicht die ganz helle Sorte, sondern eher den dunkelgoldenen. Pudrige Iris und eine unsüß vanillige Ambermischung bilden eine durchaus trockene und – trotz des Honigs – gar nicht klebrige, sondern sehr feine Basis. Sandelholz und Vetiver nehme ich nicht als hervortretende Noten wahr, höchstens geben sie mehr Tiefe.
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Auf ihrer Homepage schreibt Francesca Bianchi, die Idee für diesen Duft habe in Marrakesch angefangen, einer ihrer Lieblingsstädte, die sie mehrfach besuchte und immer mit vielen „herrlich gefälschten Ölen“, duftenden Steinen, Räucherharzen, Teppichen, Schwertern „und anderen nutzlosen, aber wichtigen Gegenständen“ zurückkam. Inspiriert von einem marokkanischen Oud-Imitat habe sie dann zu Hause versucht, ihre eigene Basis herzustellen „und so ein klebrig-süßes, holziges, rauchiges, orientalisches Zeug kreiert, das ich 'My Oud' nannte“. Daraus wurde später „Into Darkness“ und schließlich „The Dark Side“.
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Honig lässt sich ja nicht nur aufs Brot streichen, um ihn zu genießen, sondern auch auf die Haut auftragen, auf bevorzugte Stellen… und dann… … Jetzt im Frühjahr gibt es erstmal wieder den hellen Frühjahrshonig, aber ich freu mich jetzt schon drauf, wie es duftet, wenn die Bienen im heißen Sommer dunkelsten Blatt- und Waldhonig eintragen und ich die Kisten öffne… Und dann…

Dank an @UntermWert für die schöne Probe!
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