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Naxos 2015

Wombat81
19.01.2022 - 15:47 Uhr
8
8
Preis
9
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9.5
Duft

Expressionistisches Sizilien-Gemälde

Grundsätzlich bin ich vorsichtig, wenn Düfte allzu sehr beworben werden. Zu aggressives Influencer-Marketing und ich verliere in der Regel erst einmal das Interesse. Zu viele enttäuschte Erwartungen. Auch habe ich mit Xerjoff-Düften bislang eher ernüchternde Erfahrungen gemacht. Naxos hätte ich also beinahe an mir vorbeigehen lassen. Und das wäre schade gewesen, denn Naxos ist grandios.

In vielen Beschreibungen wird er als Honig-Duft beschrieben: Süß, gourmandig, Zitronenkuchen. Das trifft auch alles irgendwie zu. Und trotzdem ist Naxos für mich in erster Linie ein Fougère bzw. ein Fougère-Gourmand-Crossover. Und was für einer. Ich glaube, ich habe noch nie eine ähnlich betörende Inszenierung des Lavendels erlebt, der auf der bekanntesten Mittelmeerinsel - und Naxos soll ja eine Ode an Sizilien sein - meterhoch gedeiht.

In Naxos wirkt der Lavendel kräftig, würzig, aromatisch und wird umgarnt von Zimt, der an sizilianischen Zimtlikör denken lässt. Eingebettet ist dieser Lavendel-Zimt-Akkord in ein aromatisches Meer aus Zitruszesten. Der Honig bildet die Leinwand für diesen wunderbaren Auftakt, den ich als gar nicht so mainstreamig empfinde. Er ist schon eher ein expressionistisches Sizilien-Gemälde, das uns Xerjoff hier präsentiert. Kraftvoll flutet die Kopfnote die Sinne.

Nach dieser furiosen Overtüre, die überraschend lang ausfällt, zieht Naxos sich zurück und wird leiser. Der Honig beginnt sich bemerkbar zu machen. Dazu meine ich, eine ganz klare Heliotropin-Note zu erschnuppern, die ihm eine mandelige, leicht metallische Aura gibt. Diese Note liebe ich bereits seit Pegasus. In dieser Phase werden aus dem Zimtlikör sizilianische Zimtschnecken, das allzeit präsente Vanillin verstärkt den Gourmand-Charakter.

Dieser Übergang, vom italienischen Fougère zum Gourmand zeichnet ihn auch ganz klar als Nischenduft aus, denn Naxos hat einen in tollen Verlauf mit prägnanten Kontrasten. Ich hatte ja befürchtet, dass er mir in der Herznote zu süß wird. Aber nein, das tut er nicht. Es ist nämlich kein klebriger Honig, der mir nach ein paar Stunden um die Nase weht, sondern ein Lavendel-Honig. Eine überzeugende Metamorphose.

Nun bin ich eigentlich kein Fan von Basisnoten, weil sie mir oft zu flach, zu charakterlos und oftmals auch artifiziell in die Länge gezogen wirken. Auch Naxos zieht sich in der Basis hautnah zurück und klingt auf einem sauberen, schönen Vanilleakkord aus - immer noch mit der Erinnerung an den Honig. Aber Naxos darf das, weil er einen so furiosen Verlauf hat und man mit ihm gerne die Ruhe nach einem Tag unter sizilianischer Sonne genießt.

Ein großes Dankeschön an Xerjoff für diesen wunderbaren Duft, der über die konzeptionelle Stimmigkeit hinaus auch einfach ein Lehrstück des Parfümeurs-Handwerks ist. Die natürlichen Noten sind so perfekt aufeinander abgestimmt, die Synthetik unterstützend, aber nie aufdringlich, dass mir beim besten Willen nichts einfällt, was ich hier kritisieren könnte. Die Sillage vielleicht, die dann doch nach wenigen Stunden schon hautnah wird? Geschenkt. Naxos ist ein Duft, den ich in erster Linie für mich selbst trage, auch wenn ich überzeugt bin, dass auch mein Umfeld gerne mit auf diesen olfaktorischen Trip auf die italienische Mittelmeerinsel kommt.
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