Opium 1977 Parfum

Version von 1977
Nurmalso
11.02.2019 - 04:40 Uhr
52
Top Rezension
8
Sillage
8
Duft

Edelgard

So, hier gibt es jetzt gefüllten Butterkuchen und Kaffee, der mit der Krönung. Mutti erzählt nämlich vom Krieg. Dem Krieg der orientalischen 80er-Wummser.

Anno 1987, noch knackig jung und voller Tatendrang, machte Mutti eine Ausbildung zur Industriekauffrau. Hatte Opa drauf bestanden. Bevor man irgendeinen Nonsens studiert, musste eine Lehre sein. Damit man was "in der Tasche" hat. Und was Opa sagte, wurde meistens gemacht. Schließlich hatte ich ja noch die Füße unter seinem Tisch.

Als Azubi saß ich die nächsten zwei Jahre in den verschiedensten Abteilungen meine Zeit ab. Im Vertrieb, der Produktion, dem Lager, der Spedition ... so, hier noch eine Tasse Jacobs Krönung, bevor ihr komplett wegdöst.

Die schlimmsten Monate verbrachte ich allerdings in der Buchhaltung. Da der Chef dort schon mittags betrunken war, regierte Edelgard den Laden. Unübersehbar. Rot gefärbter akkurater Pagenkopf, oranger Lippenstift und Nagellack. Dazu einen Teint in Ledertaschenbraun. Zu jeder Jahreszeit. Edelgard war ein Hingucker. Das musste man ihr lassen. Zu meinem Leidwesen war die Gute auch ein Hinriecher. Wenn sie nicht gerade ihre R6 qualmte oder über den Trunkenbold-Chef schimpfte, sprühte sie Opium.

Jetzt muss man sagen, dass Opium ansich kein schlechter Duft ist. Ganz im Gegenteil. Würzig nelkiger Auftakt, schwere Blüten. Alles orientalisch opulent und schön kombiniert. Die Basis habe ich wohl nie gerochen, denn Edelgard legte ja ständig nach. Diese Mischung aus Rauch und Opium lösten bei mir Kopfschmerzen aus, die ich vorher noch nie hatte. Irgendwann war ich nicht mehr in der Lage, irgendwelche Zahlen zusammen zu zählen. Wie ich die Wochen in der Buchhaltung durchgestanden habe, hat mein Langzeitgedächtnis aus Selbstschutzgründen gelöscht. Aber wegen Edelgard musste ich die nächsten Jahre um Opium immer einen großen Bogen machen. Sobald das Parfum in meine Riechweite kam, fing ein stechendes Pochern an den Schläfen an. Ich war quasi der Beweis dafür, dass der Pawlowsche Hunde-Test seine Richtigkeit hat. Eigentlich müsste ich das heute noch einmal probieren. Eine R6 anzünden und stündlich Opium versprühen. Allein mein mangelnder Masochismus verhindert das.

Kinners, ihr habts überstanden. Mutti hat fertig. Noch jemand Butterkuchen?
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