Valeria Harry Lehmann

Was mir an Parfum-Individual Harry Lehmann gefällt - neben dem wunderbar unprätentiösen Ladenlokal an der Kantstraße, Kreuzung Wilmersdorfer, wo Berlin insgesamt wenig glamourös ist und neben Parfums künstliche Blumen angeboten werden - ist nicht einfach in Worte zu fassen. Da ist etwas faszinierend Nostalgisches - etwas, das von den Zwischen- und Nachkriegsjahren zu erzählen scheint. Von Hilde und Marlene, von 'Völker der Erde, schaut auf diese Stadt!', vom Wirtschaftswunder und vom Späti an der Ecke, vom Kotti und vom Stutti - und jenem seltsamen Charme, mit dem man beim Bäcker mit 'Wat nu? Kieken oder koofen?' angeblökt wird, wenn man zwei Sekunden zu lange überlegt - und da trotzdem gerne wieder kauft.

Die diffuse, wenngleich nachgerade poetische Vorstellung dieser Stadt findet sich in vielen Lehmann-Düften - vor allem in denjenigen, die schon lange dort verkauft werden. Da ist etwas wunderbar Feines und Altmodisches in ihnen - als Marlene noch einen Koffer in Berlin hatte - und Hilde noch Heimweh nach dem Kurfürstendamm. Man muss diese Art von Duft natürlich wollen und mögen, aber dann hat Harry Lehmann seinen geringen Preisen zum Trotz Kostbares anzubieten.

Valeria hat nichts davon. Valeria ist kein Duft der Gegenwart, aber einer der nur jüngeren Vergangenheit. Er trägt das olfaktorische Signum der mittleren oder der späten 90er, erinnert in seinem Wesen beinahe ein bisschen an Versaces The Dreamer: das Krautige, das Weiche, das sehr Süße - das so bemüht Unanstößige. Valeria ist ein durchweg gefälliges und liebliches Parfum - das ist nicht unangenehm, aber sehr langweilig - und 'unanstößig, lieblich und gefällig' ist auch nicht Berlin.

Fazit: ein Parfum so ikonisch für Berlin wie die Spandau Arcaden, eine durch und durch mittelmäßige Mall und aus Sicht von 'Zentral-Berlinern' höchstens 'bei Berlin': Douglas, Pimkie, H&M. Das Berlinerischste, was man da kriegen kann, ist die Verkäuferin beim Bäcker: 'Wat nu? Kieken oder koofen?'