Steel by Naim 2021

Aukai
18.01.2022 - 15:11 Uhr
20
Top Rezension
7
Preis
6
Sillage
6
Haltbarkeit
8.5
Duft

Herbstmorgen in der Stahlfabrik

Früh am Morgen, die Maschinen liegen schlafend. Riesige Kolosse, nachts erstarrt zu bizarren Schatten, werden unsanft zu neuem Leben erweckt. Kühles, veilchenblaues Licht aus Neonröhren reflektiert sich dumpf im Stahl. Wortkarge Arbeiter treten an zum Dienst, legen ihre Brotdosen zur Seite. Brötchen vom Vorabend, bestrichen mit Marmelade, verbreiten ihren zart-fruchtigen Duft. Holzig-erdiges Rasierwasser schwirrt durch die ausgekühlte Halle, auf deren Boden schon so viele Blutstropfen fielen.

Sie sind nicht mehr die Jüngsten, diese Maschinen, haben schon viele Arbeiter kommen und gehen sehen. An mancher Stelle ist ihr Metall glattgeschliffen von ständig gleichen Bewegungen, poliert vom Schweiß und Hautfett der flinken Hände, von routinierten Griffen und fordernden Berührungen.
Arbeiter und Maschinen, sie spielen zusammen wie ein altes, eingeschwungenes Liebespaar. Stets wird das gleiche Vorspiel zelebriert, möglicherweise geschuldet der Vertrautheit, vielleicht aus Gedankenlosigkeit. Es wird nicht viel gesprochen.

Große Edelstahlplatten laufen monoton durch die Anlage, eine nach der anderen. Werden gebürstet, geprägt. Feinster Stahlstaub erfüllt die Luft, beim Atmen schmeckt man ihn wie den Schweiß des Geliebten. Der Tag bricht vorsichtig an, die Sonne blitzt durch die hohen Fenster, verscheucht zärtlich das kalte Neonlicht. Bald unter dem Dach der riesigen Halle sitzen sie, diese Fenster.

Die goldenen Strahlen liebkosen sanft die Maschinen. Der flirrende Sog aus feinstem Metallstaub und Licht wirkt wie ein flüchtiges, vibrierendes Kunstwerk, das sich beständig aufs Neue gen Himmel gebiert, bevor es in der Absauganlage entweicht. Die Wärme der Maschinen vermischt sich langsam mit der Wärme der Sonne.

Ein neuer Tag ist da, ist vollkommen erwacht im Reich der großen, schweigenden Kolosse.

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Der Duft kam zu mir als Teil eines gemeinsam angeschafften Sample Sets. Vorab: Ich bin wahrhaft keine Freundin von Aldehyden und auch metallische Noten fallen nicht explizit in mein Beuteschema.
Die metallische Kälte zu Beginn ist wunderbar umgesetzt und eingebettet in zarte Johannisbeeren und Veilchen. Diese Kombi haucht dem kühlen Metall Leben ein - es erwärmt sich dadurch jedoch nicht, sondern wirkt einfach weniger schroff, abweisend, harsch. Die kühle Note wird langsam wärmer, der typische Metallgeruch hält sich dennoch durchgehend, erinnert mich phasenweise fast an Blut. Aber auch dies ist sehr dezent und in der Kombination mit Hölzern und einem Hauch von Patchouli keinesfalls ekelerregend.
Immer wieder kommt ein Gefühl auf von "das habe ich so ähnlich schon gerochen", und irgendwann wird klar, an welchen Duft er mich erinnert: Steel by Naim wirkt auf mich phasenweise wie ein gelungener, durchaus kantiger Flanker von Fahrenheit Eau de Toilette. Ich weiß, die Duftpyramide ist eine völlig andere, und trotzdem dringen immer wieder Fetzen dieses Klassikers durch, gepaart mit dieser wunderbaren Metallnote. An dieser Stelle sei erwähnt, dass ich zu denen gehöre, die Fahrenheit sehr mögen.

Mein Fazit:
Ein gelungener Duft, der nicht erschlägt und nach 6 Stunden hautnah wird. Definitiv unisex, quasi ein Fahrenheit, der auch für Frauen tragbar ist. Naturgemäß ist er synthetisch, aber meine Nase findet keine stechende Synthetik oder störenden Plastiknoten. Gefällt mir gut!
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