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Vorläufiges Fazit in Sachen Mustererkennung anhand von Ausgangsreiz, Reizaufnahme und Reizverarbeitung

Im Forum wurde, ausgehend von Ronins Blogartikel zum Mythos Hautchemie* und teils rekurrierend auf meinen eigenen Blogtext zur subjektiven/objektiven Reizverabeitung** das Thema olfaktorische Mustererkennung anhand von Ausgangsreiz, Reizaufnahme und Reizverarbeitung diskutiert. Das war für mich Anlass, meine bisherigen Überlegungen in eine möglichst klare Ordnung zu bringen und ich habe ein vorläufiges Fazit für mich formuliert. Das mag ich in unten stehendem Blogtext festhalten. Zum einen, um es selbst zu nutzen, zum anderen, weil es vielleicht auch für andere nützlich sein kann, wenn sie sich mit dem Thema beschäftigen möchten (und sei es nur als Vorlage zum Widerspruch). Hier also mein derzeitiger Stand:

  • Ich denke, dass Wahrnehmungsunterschiede größtenteils auf unterschiedliche Wahrnehmungsprozesse, nicht auf unterschiedliche Ausgangsreize zurück zu führen sind. 
  • Ich schließe nicht aus, dass es Faktoren gibt, die auch den Ausgangsreiz verändern können. 
  • Gewöhnlich fallen diese Faktoren nicht ins Gewicht. Sie machen kleine Unterschiede aus (z.B. die mögliche Kopfnotenbeeinträchtigung für eine halbe Stunde, von der LT berichtet)***. Größere und deutlichere Unterschiede halte ich für begründet in unterschiedlicher Mustererkennung durch die jeweilige Wahrnehmungssituation. 
  • Diese Faktoren sind mit "Hautchemie" nicht auch nur annähernd treffend zu benennen und ich halte diesen Begriff für völlig abgehakt. 
  • Diese Faktoren sind etwas, was evtl. zusätzlich wahrgenommen werden kann. In der Wahrnehmung entsteht eine Vermischung, die nicht einer Mischung auf stofflicher Ebene entspricht. 
  • Ein Faktor, den ich nicht für unwahrscheinlich halte: Persönliche Eigengerüche, die bei z.B. besonders transparenten Parfums oder bei großen Mengen von Iso E-Super zum Tragen kommen könnten. Hinzu kommt: In unterschiedlichen Wahrnehmungssituationen bestehen unterschiedliche Sensibilitäten für den Faktor "Eigengerüche" (z.B. bei Selbstwahrnehmung oder Wahrnehmung von im Rudelsinne sehr nahen Menschen). 
  • Noch ein Faktor: Ungewöhnlich scheinende Körpergerüche, die nicht deshalb ausgeblendet werden, weil das Gehirn sie als "normal" erkennt (z.B. bei Krankheit oder bei starkem Körpergeruch durch bestimmtes Essen, besonders auffällig bekanntermaßen im Körpergeruch asiatisch/europäisch). 
  • Weitere Faktoren: Starker Schweißfilm (wie in Ronins Blogtext ausgeführt), starker Fett-/Ölfilm (wie in Ronins Blogtext ausgeführt), starke hinzu tretende Gerüche, die ebenso wie Parfum von außen auf die Haut kommen (duftende Hautcreme, Motoröl, Rauch,..) 
  • Was meiner Ansicht nach bisher vernachlässigt wurde in Überlegungen: Die unterschiedliche Aufnahme-Kompetenz durch individuell unterschiedliche Nasenschleimhäute (vgl: Hummel-Interview****). Das gehört zwar auch unter "Wahrnehmung", hat aber nix mit Wahrnehmungsverarbeitung im Gehirn zu tun, sondern mit der Aufnahme des Reizes. 
  • Diese anderen Faktoren (die für einen unterschiedlichen Ausgangsreiz, nicht für eine Veränderung des Parfums verantwortlich sind) sollen nicht ignoriert oder zusammen mit dem Begriff "Hautchemie" einfach abgehakt werden. Dennoch vermute ich, dass die enorme Wichtigkeit der unterschiedlichen Rezeptionsbedingungen (Nase + Hirn) unterschätzt wird, was sicher damit zu tun hat, dass die Forschung dazu noch zu wenige "Hard Facts" produziert hat, bzw. die, die sicher sind, noch zu wenig breit bekannt und im alltäglichen Begreifen verankert sind. Ein weiterer Grund ist sicher, dass viele dieser Prozesse unbewusst ablaufen und es naturgemäß schwierig ist, sich bei bewusster Auseinandersetzung Unbewusstes zu vergegenwärtigen. So sehr ich mir wünsche, dass das Wissen hierzu zirkuliert und Früchte trägt, mag ich noch mal betonen, dass dies nicht bedeutet "alles ist subjektiv". Die subjektiven Wahrnehmungen gründen zum einen auf objektiven Tatsachen und haben zum anderen eine große Schnittmenge, die wir brauchen, um einen Begriff von "Objektivität" überhaupt zu bilden. 

 

* Mythos Hautchemie  (http://www.parfumo.de/Benutzer/Ronin/Blog/Eintrag/Mythos_Hautchemie)

** Hirnchemie: Die Wahrnehmung der Wahrnehmung  (http://www.parfumo.de/Benutzer/Louce/Blog/Eintrag/Hirnchemie_Die_Wahrnehmung_der_Wahrnehmung)

*** Luca Turin & Tania Sanchez, Perfumes - the A-Z-guide, S. 50, 51: "(...)salespeople at fragrance stores often tell overeager shoppers to "let the fragrance meld with your chemistry" after you spray it on. That´s their way of telling you to wait a few hours before you judge it. That´s not chemistry making the fragrance change. Yet perfumers do test fragrances on various people´s skins as they develop them, so the variation must make some difference. Specifically individual skin seems to affect top notes (...) But after a half hour or so, when the fragrance´s heart emerges, these minor differences seem to dissapear."

**** Über den Unterschied in der Nase: Interview mit Prof. Hummel vom Interdisziplinären Zentrum für Riechen und Schmecken in Dresden (http://www.parfumo.de/Benutzer/Louce/Blog/Eintrag/ber_den_Unterschied_)

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