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vor 12 Jahren - 19.06.2012
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Über Signaturdüfte

Jenseits der bloßen olfaktorischen Vorlieben bleibt ein heißes Thema auf Parfumo die Art des Parfumtragens und -sammelns an sich. Nicht nur, was ich mir aufsprühe, definiert meine Parfumistoexistenz, sondern sogar, wohin, wie oft und ob ich nicht lieber tupfen sollte. Kaum verwunderlich also, dass kaum ein Phänomen so sehr am Selbstverständnis des Parfumliebhabers nagt wie der sogenannte Signaturduft. Immer den gleichen Duft zu benutzen wirkt schließlich genauso absurd, wie immer das Gleiche zu essen, anzuziehen oder immer mit derselben Frau zu schlafen.

Der Signaturduft, das unbekannte Wesen

Tatsächlich hat die hier versammelte Expertenschar mit Dufttreue nichts im Sinn. Verirrt sich doch einmal ein verzweifelter Mensch in dieses Forum, weil sein Duft eingestellt wurde, wird ihm oder ihr die schöne bunte Duftvielfalt angepriesen, die es nun zu entdecken gelte. Das ist natürlich nicht falsch, denn die 18.490 Parfums, die unsere weiter wachsende Datenbank mittlerweile listet, bergen allemal mehr als eine Perle. Doch rät man jemandem auf der Suche nach der großen Liebe auch nicht, erst mal in den Puff zu gehen. 

Diese Diskrepanz in der Annahme dessen, was ein Parfum leisten soll, offenbart vor allem eines: Signaturdüfte sind den meisten hier ein Rätsel. Aufklärung ist vonnöten. 

Zwischen Intimität und Zurschaustellung

Das Größte Hindernis für einen Parfumaficionado, einen Signaturduft zu haben, ist sicher, sich auf ein Parfum zu beschränken, denn genau so wird dieser Duft verstanden – als Eines-für-alles-Parfum. Das ist natürlich Blödsinn, und nur weil es viele, viele Menschen genau so handhaben, wird es nicht weniger blödsinnig. Duft bewirkt im Zwischenmenschlichen zu viel, als dass irgendetwas immer passend wäre. Das gilt auch für Acqua di Giò. Je nach Situation wird so Intimes exibitionistisch, Distanziertes verklemmt und Sauberes steril. 

Wenn also eines gar nicht immer gehen kann, was ist dann ein Signaturduft? 

Leitungsdruck und Selbstfindung

Unsere Parameter für die morgendliche Parfumauswahl sind zahlreich. Unser Gehirn strengt sich dabei noch mehr an als der Parfumo-Berater. Anlasse, Stimmung, Jahreszeit, Tageszeit, Wetter, Uniqueness und die Vorlieben anderer spielen eine Rolle (sowie hundert Dinge, die mir gerade nicht einfallen). Das Parfum erfüllt seine Aufgabe, es begleitet mich, es hebt meine Stimmung, sendet Signale an meine Umgebung. Es ist ein Accessoir. Die Wahl des Parfums gleicht der der Kleidung. Der Umgang damit ist ganz unromantisch geprägt von Nutz- und Mehrwerterwägungen. 

Wer das verstanden hat und (etwas romantischer) davon weg will, sucht kein Parfum – oder besser er findet keines, sondern vor allem sich selbst. Wer sich nicht überlegen will, ob der Duft zum Wetter und zur Jahreszeit passt, fällt letztlich nur auf eine Frage zurück: Passt der Duft zu mir?

Der Wert des Bekenntnisses

Wer einen Picasso kauft, legt meist Wert auf jenen bezeichnenden Schriftzug in der Ecke. Der macht dabei nicht die Echtheit aus, aber er steht dafür. Genauso ist mein Duft nicht mein Ich. Er steht nicht für sich alleine, und man kann mich nicht Flaschen kaufen. Mein neues Selbst gibt es nicht beim Douglas. Will ich einen Signaturduft, muss ich einen Duft finden und zu meinem Duft machen. Beim ersten Schritt leistet das Duftberatungsforum auf Parfumo großartige Hilfestellung, erkennen muss man seinen Duft jedoch selbst. Und man ahnt es an dieser Stelle schon, der zweite Schritt ist der schwierigere. 

Daher ist es legitim, als Mensch, der sich zwischen den 200 Flaschen im GarderobenParfumzimmer ohnehin kaum entscheiden kann und dennoch die Vielfalt genießt, an der Sinnfrage zu scheitern. Muss das sein? Nein. Genauso wenig wie bei Yoga, Kinderkriegen oder Champagner liegt der unmittelbare Wert auf der Hand. Aber genau darum ging es ja eben auch nicht: Wer sich selbst nicht finden will, muss auch nicht suchen.

Get it done!

Dass das Finden der leichtere Teil der Reise ist, stimmt zwar, dass es leicht ist, wäre allerdings gelogen. Und es sind wenige Tipps dazu hilfreich. Dass man lieben wird, was dem ähnlich ist, das man mag, kann man genauso bezweifeln wie die Fähigkeit eines Computeralgorithmus, mir bei Kontaktwebsites den richtigen Menschen zuzulosen. Ihr werdet es erkennen, und wahrscheinlich wird es euch überraschen.

Und dann? Dann trägt man es immer? Vielleicht. Wer eigentlich kein Parfum trägt, kann das so machen. Wenn ich sorgfältig die Gelegenheiten aussuche, zu denen ich Parfum auflege, wird es nach einer Weile meins. Die Beziehung, die wir zu einander aufbauen wird stärker durch all jenes, das wir miteinander erleben. Und irgendwann könnte man es wohl wirklich immer und überall tragen. Aber wer möchte schon, dass flüchtige Bekannte, den eigenen Duft kennen? Besser man bewahrt es sich für Momente, in denen man alle Rollen überflüssig findet. Und riskiert so nicht, dass zarte Band zu zerreißen, das einen davor bewahrt, des Duftes überdrüssig zu werden. 

Genau da liegt auch die Chance für den Parfumverrückten. Ein Signaturduft hält einen nicht davon ab, andere Parfums zu tragen. Er ist nur die natürliche, intime und echte Wahl für all jene Momente, in denen man wirklich man selbst sein kann und will.

Was hab ich davon?

Nicht viel. Am ehesten noch die Gewissheit, dass „Du bist so schön warm, und du riechst so gut“ nicht deinem Parfumsachverstand gilt, sondern dir. Und einen Duft, der dich daran erinnert, wer du bist, warst oder mal sein wolltest.

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